2. Räuber und Raubritter

a) Raubgesellen

*378. Ein gefürchteter Raubgesell im oberen Mühlviertel war der Drucker Franzl. Wenn er bei den Leuten nichts fand, ging er mit ihnen unmenschlich um. Einen alten, gebrechlichen Geschirrhändler zwang er, mit dem Geschirrkorb auf einen Baum zu steigen, dann schoß er das Geschirr herab.
Ein Bauer zählte einmal in der Stube Geld, sein kleiner Enkel belästigte ihn um einen Kreuzer. Deshalb hielt er den Beutel zum Fenster hinaus und sagte, der Wauwau solle ihn haben. Draußen aber stand der Drucker Franzl und verschwand mit dem Beutel.

379. Der Räuber Wagnerloisl hatte in der Nähe der Burg Alt-Aist seinen Unterschlupf und machte die Gegend unsicher. Er gab der Pflegschaft viel zu schaffen, ohne daß sie ihn fassen konnte. Armen half er gerne. Einst fand er spät abends ein Nachtlager in der Ortschaft Tal und erfuhr von der Bäuerin, daß der Bauer fort war, um den Pachtschilling für die Herrschaft aufzutreiben, den er binnen drei Tagen zahlen mußte, wenn er nicht in den Schuldturm kommen wollte. Am nächsten Morgen übergab der Räuber der Bäuerin das Geld und sagte: „Das Geld schenke ich dir; ich bin der Wagnerloisl. Wenn der Pfleger darum fragt, sage es ihm, ich bin im Brandstätterholz.“ Die Bäuerin trug das Geld zum Pfleger nach Schloß Haus. Als der Pfleger erfuhr, wo der gesuchte Räuber sei, suchte er sogleich mit seinen Leuten das Brandstätterholz ab. Inzwischen hatte sich aber der Wagnerloisl in die Stube des Pflegers geschlichen und das Geld, das der Pfleger auf dem Tisch hatte liegen lassen, wieder mitgenommen.

380. Der Hafner Tonerl in Ungenach war ein weit gefürchteter Dieb und Räuber. Er brach unerwartet mit seinen Gesellen irgendwo ein, ohne daß es je gelungen wäre, ihn zu fangen. Einst traf er auf einer Waldblöße ein Weiblein und schickte sie zum Grafen nach Wolfsegg mit der Botschaft, er sonne sich und sei zu faul zum Aufstehen, wenn sie ihn fangen wollten, sei es leicht; sie sollten sich aber feste
Stricke mitnehmen, er habe schon ein paar Mal seine Fessel durchrissen. Als die Kunde ins Schloß kam, zog der Graf mit einem ganzen Aufgebot aus. Die Suche war aber ergebnislos. Als der Graf abends auf sein Schloß zurückkehrte, fand er es ausgeraubt. Der Hafner Tonerl hatte die Gelegenheit wohl ausgenützt.

381. Aus Mähren kam der Räuber Dürrenteufel und trieb von Kirchschlag aus sein Unwesen. Im Schloß Wildberg war eine Köchin, die sich von ihm betören ließ, so sehr man sie auch vor ihm warnte. Und weil man auf das Mädchen allzu sehr acht gab, versteckte er sich im Schloß und ließ sich und die Köchin nachts an einem Seil vom Turmfenster hinab. Als das Verschwinden bekannt wurde, glaubten viele, der Teufel habe das Mädchen geholt.

382. Auf Lichtenhag saß der Räuberhauptmann Tiege und machte die weite Gegend unsicher. Eines Tages ritt das letzte Fräulein von Eidenberg mit ihrem Kaplan trotz dessen Warnung an Lichtenhag vorbei, um Verwandte auf Burg Rottenegg aufzusuchen. Bei der Klammleiten wurden sie von Knechten überfallen und auf die Burg geschleppt. Der Kaplan wurde ermordet, das Fräulein aber wollte der Räuber zwingen, eine Frau zu werden und als sie sich weigerte, ließ er sie von einem vorspringenden Felsen in die Tiefe stoßen. Am selben Tag brach ein schweres Unwetter los, ein Blitz schlug in die Burg und tötete Tiege. Seine Gesellen wurden von den Rotteneggern ausgehoben, die Burg wurde niedergebrannt.

*383. Die Diebolds-Au zwischen Weyer und Großraming war einst der Sitz des Räuberhauptmanns Stern. Er überfiel die Reisenden, schleppte sie ins Dickicht oder Felsengewirr und beraubte sie nicht nur, sondern marterte sie auf furchtbarste Weise. Mit Vorliebe band er sie an Bäume, kopfabwärts über einen Ameisenhaufen. Von ihm herrschte der Glaube, er könne sich unsichtbar machen weil man seiner nicht habhaft werden konnte. Als aber ein Mann vom anderen Ufer der Enns aus ihn zufällig in sein Versteck zwischen den Uferfelsen schlüpfen sah, vermochte man ihn endlich zu überlisten. Er wurde gefangen genommen und hingerichtet.

384. In den Fünfzigerjahren trieb sich in der Gegend von Naarn der Räuber Horner um. Er war ein Schleifer und hatte keinen ständigen Wohnsitz. Mit ungeheurer Gewandtheit trieb er seine Diebereien und brauchte nur ein Fenster zu berühren, so ging es auch schon auf. Sein Diebsgesell war ein wandernder Schirmmacher. Bei der Schinaglin in Naarn hatten sie ein unterirdisches Versteck. Horner trieb es immer ärger; einmal raubte er bei einer Hochzeit über der Donau das Brautgewand, ohne daß die Sache aufkam. Als aber nach ein paar Jahren eine Schinagl-Dirne das Gewand trug, wurde es doch bekannt, Horner und seine Mitschuldigen kamen ins Gefängnis.

*385. Das Schoiberhaus in Mühlberg bei Kleinraming im Ramingtal soll eines der ältesten Häuser der Gegend sein. Vor vielen Jahren beherrschten vier Räuber das Ramingtal und benannten sich nach den vier Königen des deutschen Kartenspieles. Am Schoiberhaus saß der „Grün König“.

*386. Eine berüchtigte Diebin war ’s Hear-Everl in der Gegend von Altenhof. Sie stahl nur Hühner und gestand beim Verhör in Marsbach, eine von Marsbach nach Linz gespannte Schnur sei kaum lang genug, die von ihr gestohlenen Hühner daran zu hängen.

387. Bei der Jankusmauer bei Liebenstein trieb bei Nacht der Gstötten-Böhm, ein Falschmünzer, sein Unwesen. Die Leute meinten, es sei der Teufel.

*388. Auf einem Bauernhof zwischen Leonfelden und Lobenstein lebte Hans Hund, ein Bauernbursch, der wegen seiner unbändigen Stärke und wegen seiner Ruchlosigkeit in der weiten Gegend gefürchtet war. Er belästigte alle Mädchen, fing überall Streit an und schreckte vor Totschlag nicht zurück. Alle Ermahnungen seines greisen Vater waren vergebens. Als er aber mit seinen Spießgesellen in die Hütte eines Häuslers einbrach um dessen wunderschöne Tochter zu rauben, setzte sich das mutige Mädchen zur Wehr und spaltete ihm mit einem Axthieb den Kopf. Sterbend wurde er hinausgetragen und auf einen großen breiten Stein gelegt, wo er bald, ohne mehr zu sprechen zu können, starb. Außerhalb der Kirchenmauer von St. Veit wurde er begraben. Der Stein, auf dem er gestorben, wurde an der Stelle der Mauer eingefügt, ein gespaltener Totenkopf wurde eingemeißelt und darunter die Inschrift gesetzt: „Hier ruht der Hans Hund begraben.“ Als dieser Grabstein verwitterte und die Inschrift teilweise unlesbar wurde, entstand die Behauptung, unter dem Stein liege ein Hund begraben, der einst die St. Veiter vor einer großen Gefahr gerettet habe und ihm gelte die Inschrift. Die Redewendung ist aber bis heute geblieben: Hier liegt der Hund begraben.