13. Halslösegeschichten und schwierige Aufgaben

*470. Ein Bauer war schwer verschuldet, vor Gericht geladen hatte er aber kein Geld. Der „Strengherr“ versprach ihm die Schulden zu schenken, wenn er ihm binnen drei Tagen ein Rätsel ausdenke, das er nicht lösen könne. Der Bauer stellte das Rätsel: „Geborenes hat Ungeborenes gessen und ist hoch unter der Erde auf einem Eichenbaum gsessen.“ Der Schuldherr konnte das Rätsel nicht lösen. Der Bauer schnitt einer Eiche den Wipfel durch und schüttete Erde darauf. Er schlachtete ein trächtiges Schwein, kochte ein ungeborenes Fakel und aß es auf auf der Eiche unter der erdbeschütteten Tischplatte.

*471. Peuerbach hatte großen Mangel an Wasser. Einst sollte ein Brudermörder gehängt werden. Vor dem Galgen versprach er, eine reichliche Quelle zu zeigen, wenn man ihm das Leben schenke. Er verlangte einen Korb, füllte ihn mit Wasser, nahm ihn auf den Kopf und sagte, wo der erste Tropfen aus dem Topf zur Erde fiele, sollte man nachgraben. Es geschah und man fand eine Quelle. Dem Verbrecher wurde das Leben geschenkt. Er zog sich in den Wald zurück und beschloß sein Leben als Einsiedler.
Das Wasser der Quelle wird in einer Brunnenstube gesammelt und von da an in drei große Becken geleitet, die die „Urtel“ heißen.

*472. Den Schwarzenbergkanal, der zur Holztrift aus dem Böhmerwald dient, entwarf ein zum Tode Verurteilter, er erkaufte sich dadurch sein Leben.

473. Ein Schuster in Grein liebte aussichtslos die Tochter des Ratsmeister. Deshalb verschaffte er sich von einem als Hexe verschrienen Weib einen Zaubertrank. Das Mädchen wäre daran fast gestorben. Der Schuster wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der gerade herbeigekommene Gaugraf oder der Gerichtsherr von Werfenstein begnadigte ihn aber für den Fall, daß er auf dem überhängenden Felsen über dem Strudel ein Paar Schuhe dopple. Der Schuster führte den halsbrecherischen Auftrag aus und ging frei, der Stein erhielt den Namen Schusterstein.
Eine andere Überlieferung weiß nichts vom Zaubertrank. Der Schuster fand Gegenliebe, der Ratsherr aber sah es als ein Verbrechen an, daß der Handwerker nach seiner Tochter strebte. Es gelang ihm, beim Rat die Verurteilung des Schuster durchzusetzen. Über die Bitte der Tochter versprach der Ratsherr dem Schuster das Leben, wenn er auf dem Stein der Ruine Werfenstein ein Paar Schuhe dopple. In Gegenwart des Rates und vielen Volkes brachte es der unerschrockene Schuster zustande, er wurde freigelassen und erhielt die Hand der Tochter des Ratsherrn.

474. Ein Schmiedelehrling hatte bei der Fertigstellung der Kirche Stadl-Paura mitgearbeitet und bat den Abt Maximilian Pagel, bei der ersten heiligen Messe ministrieren zu dürfen. Der Abt sagte: „Gut! Aber nur, wenn du in dieser Kirche unter Manneshöhe drei Hufnägel einschlägst, ohne etwas zu verletzen!“ Guter Rat war teuer, denn rundherum war alles Marmor. Unverzagt schlug aber der Lehrling zur Ehre der heiligen Dreifaltigkeit drei Hufnägel in die Plattenfugen des Fußbodens unter dem ewigen Licht und durfte nun ministrieren.

475. Kaiser Josef II. zog mit einem Lehrer durch das Land, um die Leute kennen zu lernen. Er kam in ein Schloß und las die Inschrift: „Wir kennen keine Sorgen!“ Er sagte zu den Leuten: „Ich bin Kaiser und bin nicht so glücklich, denn ich hab in meinem Reich Sogen über Sorgen; wenn ihr schon so klug seid, daß euch alles gut ausgeht, so sagt mir in drei Tagen die Antwort auf die drei Fragen: Wie tief ist das Meer? Wie lange braucht man in den Himmel? Wie weit ist Glück und Unglück auseinander?“ Der Kaiser zog fort, die Schloßleute sannen und dachten, fanden aber nicht das Rechte. Der Schloßkaplan war wohl der Gescheiteste unter ihnen, aber auch er fand keine Antwort. Da kam der lustige Schweinehirte mit seiner Herde vorbei. Der Geistliche sagte zu ihm: „Wenn Du die Antwort weiß, zieh morgen mein Gewand an und stehe dem Kaiser Rede!“ Am nächsten Tag kam der Kaiser. Der Schweinehirte trat vor und sagte: „Das Meer ist einen Steinwurf tief. In den Himmel ist es einen Tag weit, denn es ist nur ein Himmelfahrtstag. Das Glück ist aber ganz nahe beim Unglück, weil ich noch vor einer Weile Schweinehirt war und jetzt als Kaplan vor euch stehe.“ Dem Kaiser gefielen die Antworten und er sagte: „Es soll dir von nun an so gut gehen, wie wenn du es wärest.“ Von nun an hatte der Schweinehirt gute Zeiten.