8. Von den armen Seelen

2. Allerlei Gestalten

*49. Der junge Schaunberger hatte sich heimlich mit einem einfachen Mädchen vermählt. Der Vater blieb aber unerweichlich, verstieß sie und sprach einen Fluch gegen ihr Kind. Da nahm der junge Graf sein Weib zu sich aufs Roß und sprengte mit ihr in die Donau, die damals noch nahe an der Schaunburg vorbeifloß. Als dem Vater ihr Tod gemeldet wurde, stürzte er tot zu Boden. Oft sah man später zur Geisterstunde das junge Paar in die Donau sprengen.

*50. Ein Häusler ging in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in einer finsteren Sommernacht an der Donnerbauerkapelle bei Kollerschlag vorbei und, wie er vorüber war, sah er ein Licht. Als er näher kam, stand am Felsrain ein etwa fünfjähriges Kind mit einem langen, roten Röcklein, die Hände auf der Brust gekreuzt. Als er sich von seinem Schrecken erholt hatte und die Erscheinung um ihr Begehren fragen wollte, war sie verschwunden.

51. Als die Franzosen ins Land einfielen, mußte auch ein Bauernsohn aus Baumgarten bei Neumarkt im Mühlviertel nach Linz einrücken. Er entfloh aber und kam in einer stürmischen Herbstnacht ganz erschöpft daheim an. Sein greiser Vater bewog ihn zum Entschluß, in die Garnison zurückzukehren. Infolge der Anstrengung und Aufregung wurde der Bursche aber schwer krank und starb nach einigen Tagen. Am Abend des Begräbnistages erschien er mehreren Dorfbewohnern in Uniform, aber ohne Kopf. Da sich die Erscheinung wiederholte, wurde ein Bildstöckl in der Ortschaft errichtet.

*52. Die Frau eines Finanzers an der Mühlviertler Grenze hatte im Wochenbett schwer zu leiden. In einer kalten, finsteren Jännernacht ging ihr Mann vom Dienste nach Hause. Als er gerade zwischen Hinterschiffel und Kohlstatt an einem heiligen Bilde vorbeikam, das an einem Baum befestigt war, flog eine weiße Taube knapp an seinem Gesicht vorbei. Es war die unschuldige Seele seiner Frau, die eben daheim gestorben war.

53. In der Gegend des Hallstättersees hatten sich Protestanten angesiedelt. Sie wurden aber von den Franzosen, den schwarzen Reitern, vertrieben und flüchteten über den See. Die Franzosen folgten ihnen, ertranken aber jämmerlich, aus jedem wurde ein kleiner Fisch. Seither gibt es im Hallstättersee die kleinen forellenartigen Schwarzreiterln.

*54. Verwunschene Menschen erhalten oft die Gestalt von Pferden, wobei die Farbe weiß oder schwarz einen wesentlichen Unterschied ausmacht. Allgemein heißt es, Leute, die ein lasterhaftes Leben führten, werden nach dem Tode Rosse des Teufels, mit denen er fürchterlich reitet und fährt.

*55. In einem Hause in Aspach hatte sich eine Hausnatter eingenistet. Sie sah schon ganz weiß aus und wenn die Besitzerin allein im Zimmer spann oder nähte, kam sie gerne aus dem Loch hervor und kroch bis in die Mitte des Zimmers.

Ein solches Tier ist den Menschen sehr anhänglich und in Häusern, wo sich eines befindet, ist alles wohl und gesund.

*56. Arme Seelen, die erst erlöst werden müssen, haben die Gestalt einer Kröte. Wer bei Lebzeiten ein Wallfahrt versprochen, aber nicht gehalten hat, muß sie nach dem Tode als Kröte mühselig ausführen.

*57. Einst starb ein Mann und hatte eine gelobte Wallfahrt nach Mariazell nicht gemacht. Unaussprechliches mußte er nun als Kröte auf dem Wege nach Mariazell erdulden. Bald wurden der Kröte die Füße zerquetscht, bald wurde sie den mühsam erklommenen Berg wieder hinabgeworfen. Als sie endlich bei der Kirche war, brauchte es noch viel, bis sie hineinkam. Beim Gnadenaltar angelangt, erhob sich die Kröte, faltete die Vorderpratzl und verschwand. Die Leute erkannten, daß es eine erlöste Seele war.

*58. Jemand war gestorben und da er der Seligkeit nicht würdig war, wurde er in eine Kröte verwunschen. In dieser Gestalt suchte nun die arme Seele nach Altötting zu kommen. Auf der Brücke über den Inn wurde sie aber von einem Vorübergehenden in den Inn geworfen. Dadurch war die Erlösung vereitelt.

*59. Kröten soll man nichts zuleide tun, denn verwunschene Menschen sind in ihre Gestalt gebannt. Ein Fürst suchte einst seine verwunschene Tochter in den weiten Wäldern des Höhnhart, bis er in das Krottental kam, wohin seine Tochter gebannt war. Durch ein frommes Versprechen glückte es ihm, den Bann zu lösen. Den Weg, auf dem der Fürst an die richtige Stelle kam, nannte man den „Fürstenweg“, an das Tal der Kröten erinnert heute noch das Krotental.

60. Ahasver war ein jüdischer Schuster in Jerusalem. Als Christus auf seinem Leidensweg vorbeigeführt wurde, hatte Ahasver kein Mitleid. Ja, als der Herr unter der Last des Kreuzes erschöpft zusammenbrach und auf einem Baumstrunk rastete, schlich sich Ahasver heran und stach ihn mit der Ahle in die Wade. Von Gott verflucht, warf er die Ahle weg. Heimatlos wandert er seither durch die Welt, ohne sterben zu können; alle hundert Jahre erscheint er an demselben Ort.

61. In einer Holzknechtstube saßen die Holzknechte abends beisammen und unterhielten sich darüber, ob es wirklich einen ewigen Juden gab. Als sie am nächsten Morgen – es war gerade ein Samstag – das Morgengebet sprachen, setzte sich draußen jemand keuchend auf die Bank vor der Hütte. Als die Holzknechte nach dem Gebet Nachschau hielten, eilte eben ein weißhaariger alter Mann in einem sonderbaren Gewand, Sandalen an den Füßen, einen Stock in der mageren Hand, wieder davon. Einige riefen ihm nach, er solle doch in die Stube kommen, „mia toan da e nix, råst di a weng aus!“ Der Alte aber ließ sich nicht aufhalten und rief mit unheimlicher Stimme: „Vergelts Gott, Månna, für engern guatn Willn; i muaß weita, i hån dem Heiland koa Råst vagund, i bin da ewig Jud!“ Sprachlos starrten ihm die Holzknechte noch nach, als er schon im Walde verschwunden war. Am Abend kam einer der Holzknechte nach Oberlangbath herab ins Wirtshaus und erzählte das Erlebnis, wurde aber nur ausgelacht. Als es Gebetszeit war und sie eben den englischen Gruß in der Wirtsstube beteten, kam draußen ein alter Mann gelaufen und setzte sich keuchend auf den Brunnentrog. Wirtsleute und Gäste gingen hinaus, man bot ihm einen „Troadenen“, er aber rief: „Vergelts Gott für den guatn Willn, i muaß weita, i hån dem Heiland koa Råst vagund, i bin da ewig Jud!“ Er stand auf und eilte müde und matt den Sonnstein zu.

62. Der ewige Jude muß ruhelos durch die Welt wandern. Vor vielen Jahren kam er in völlig zerrissenen Kleidern und mit einem langen, verwilderten Bart nach Neukirchen am Walde. Er bettelte sich durch, konnte aber keinen Augenblick ruhig stehen, immer machten seine Füße Gehbewegungen. Bitter klagte er, daß er nicht sterben könne. Vergeblich hatte er sich von steilen Felsen hinabgestürzt, war in tiefe Gewässer gesprungen. Den ersehnten Tod hatte er nicht finden können.

*63. Der ewige Jude war im Innviertel als „Der umgehende Schuster“ bekannt. Die Groschen in der Tasche gehen ihm nicht aus.

64. Beim Pfleger in der Herrenwiesmühle zu St. Konrad soll der ewige Jude einen Tag eingesperrt gewesen sein. Er hatte dort die Schuhe des Pflegers zu doppeln. Bevor man aber noch Befehl über ihn erhalten konnte, war er verschwunden.