8. Von den armen Seelen

1. Arme Seelen und ihre Buße

*1. Die Seelen der Verstorbenen kehren in den Wind, in das Wasser, in das Feuer und die Erde zurück. Gibt es darunter mehr böse Seelen als gute, so entstehen Stürme, Überschwemmungen, wildes Feuer und Mißwachs.

*2. Die armen Seelen wandern über Berg und Tal, durch Regen und Schnee. Von der wilden Jagd verfolgt, finden sie auf Baumstöcken Ruhe und Schutz, wenn die Holzhauer drei Kreuze eingeschnitten haben.

*3. Um Mitternacht hört man hie und da aus der Traun Klagen und Weinen. Es sind die Seelen derer, die in der Traun ertrunken sind.

*4. In der Gegend des Huckingersees liegt der Waldgraben, den auch die wilde Jagd aufsucht. Starb jemand in der Gegend, so ging man zum wilden Graben horchen. Ließ sich Jammern und Winseln vernehmen, so war der Betreffende schlecht gestorben.

5. In einem Bauernhaus bei St. Oswald bei Freistadt waren die Bauersleute noch in später Nacht auf. Da kam ihr Sohn heim und erzählte, daß ihm zwei weißgekleidete Mädchen mit goldenen Haaren begegnet seien. Sie gingen über die Wiese und über den Bach. Am anderen Morgen erfuhren die Bauersleute, daß in der Nacht das Kind eines Nachbarn gestorben war. Ein Engel hatte es geholt.

6. In Königswiesen machten sich zwei Mädchen aus: „Wer von uns zuerst stirbt, erscheint der anderen nach dem Tode und sagt, wie es in der Ewigkeit ist.“ Bald darauf starb das eine Mädchen und erschien nach ein paar Tagen der Freundin. Diese fragte gleich: „Wie sieht es in der Ewigkeit aus?“ Die Erscheinung erwiderte: „Es ist nicht so, wie ich gemeint habe, aber auch nicht so, wie du gemeint hast, sondern ganz anders. Ich sage dir aber, rufe niemanden aus der Ewigkeit zurück, der Weg ist weit und führt durch Disteln und Dornen. Schau meine Füße an, sie sind voll Wunden und die Dornen stecken drin.“ Die Erscheinung zeigte ihre zerrissenen Füße und verschwand.

7. In der Gegend von Ischl wütete einst eine furchtbare Pest, Menschen und Vieh gingen zu Grunde bis hinab zum Traunsee.
Im „Gehr“, der heutigen Ortschaft Lahnstein am rechten Traunufer, waren die meisten Leute dahingerafft worden, nur zwei Mädchen blieben übrig. Sie hatten sich verabredet, wer von beiden zuerst sterbe, solle der anderen erscheinen und sagen, wie es im Jenseits aussehe. Bald darauf starb die eine an einem Samstag. Die Überlebende kämmte gerade ihr Haar und wollte sich dann schlafen legen. Da stand plötzlich die Verstorbene vor ihr und sagte mit unheimlicher Stimme: „Es ist anders als wir gemeint haben!“ Dann verschwand sie.

8. Wenn es im Ofen recht pfeift und schreit, schreien die armen Seelen im Fegefeuer. Darum wirft man ein Stück Brot oder auch Salz in den Ofen und opfert es den armen Seelen.

9. Die Melessin war eine Frau, die selbst keine Kinder hatte, aber Frauen, die mit Kindern gesegnet waren, verspottete. Deshalb wurde sie verwünscht. Wenn nachts der Sturm in den Bäumen rauschte, flog sie mit flatternden Haaren und in schwarzen Gewändern herum und weinte über ihren Fluch. Wenn die Melessin im Sturmestoben weinte, öffnete man früher im Stodertal die Fenster, sprengte Weihwasser hinaus und betete. In anderen Gegenden stellte man einen Teller mit Salz, Brot und Asche vor das Fenster, um sie zu besänftigen.

10. Die Poppenkapelle liegt an der Straße von Dirnbach nach Hinterstoder. Drei Wege scheiden sich hier, der eine führt nach Hinterstoder, der andere in die Dambergau, der dritte bergauf nach Vorderstoder. Vor Zeiten hatten hier die Hexen ihren „Zsåmmverlåß“. Einst lebte in der Gegend ein armer, einfältiger, aber frommer Mensch, der Poppenmichl. An Sonntagen läutete er nachmittags oder abends bei der Kapelle, bis die Kinder zusammenliefen, und hielt auf seine Weise Messe, wobei die Kinder mit ihm vielfach Spott trieben. Der Poppenmichl ist längst gestorben, als Geist betet und singt er aber auch heute noch im Abenddunkel vor der Kapelle. Darum wagen sich die Kinder, wenn es dämmert, nicht mehr vorüber und auch Erwachsene gehen dann nicht gerne vorbei.

*11. Menschen, die vor der ihnen bestimmten Zeit eines gewaltsamen Todes gestorben sind, müssen solange umgehen, bis „ihre Zeit aus ist“.

*12. Schwere Übeltäter, insbesondere Doppel- und Selbstmörder und reulose Hingerichtete gehen um, ohne daß sie erlöst werden können; in Hunde- oder Katzengestalten quälen sie die Menschen.
Ein Priester kann sie dem Teufel übergeben oder irgendwohin bannen, daß sie nicht schaden können.

*13. Wer ein Geld vergraben oder versteckt hat, ohne es vor dem Tode gesagt und die Stelle bezeichnet zu haben, findet nach dem Tode solange nicht Ruhe, bis das versteckte Geld irgendwie wieder gefunden wird.

14. Die Raubburg Schlögen, oberhalb der Donau, wurde zur Nachtzeit erobert, die ganze Besatzung wurde getötet. An der Stelle kann man in Rauhnächten klagende Stimmen hören.

*15. Bei Gschwandt stand das schöne Wasserschloß Waldbach. Auf seinen Trümmern lassen sich zur Nachtzeit weißgekleidete Frauen sehen.

16. Auf dem Grindelsberg bei Aspach zeigte sich, wenn es zwölf Uhr mittag läutete, die einstige Schloßfrau als stattliche weiße Gestalt.

Eine ähnliche Erscheinung läßt sich zu Zeiten am Holzöstersee sehen, zu Gumping bei Kirchberg am Inn zeigte sich beim Mittagläuten ebenfalls eine weiße Frau. Es sind arme Seelen, die umgehen müssen.

17. Auch die Bewohner der Ortschaft Burgstall bei Kematen am Innbach sahen in früheren Zeiten öfters an der Stelle der alten einstigen Burg eine Frau in weißem, wallenden Gewande umherwandeln und sich gegen das Innbachtal neigen.

*18. Bei der Wallfahrtskirche in Adlwang befindet sich ein sogenannter heiliger Brunnen, der wegen seiner Heilkraft heute noch stark benützt wird. Nachts soll sich öfters hier eine königliche Jungfrau im weißen Kleid mit flatterndem Haar und einem Kopfschmuck aus Diamanten gezeigt haben.

19. Das Schloßfräulein auf Berg bei Rohrbach wurde wegen eines armen Burschen vom Vater verstoßen und in den Turm geworfen. Ihr Geist wandelt alle Nacht vom Turm klagend zu einer Grotte. Ein reiner Jüngling kann sie erlösen.

Sie hat dasselbe Schicksal wie die Tochter des Schloßherrn von Tratteneck.

20. Die stolze Burg Falkenstein wurde belagert. Die Tochter des Pförtners hatte unter den Feinden ihren Liebsten und öffnete ihm ein heimliches Türchen. Durch dieses aber drangen die Feinde ein, sie eroberten und zerstörten die Burg. Mitunter sieht man um die Mauertrümmer eine Geistererscheinung schweben, sie klagt sich an und flucht den Feinden.

*21. Die Burgfrau von Schallenberg, die hartherzig und geizig war, bedrückte ihre Untertanen. Sie hielt es mit dem Teufel, der auf dem Rabenstein seinen Sitz hatte und ihr reiche Schätze verschaffen mußte. Nach ihrem Tode irrte ihr Geist in den Ruinen herum, so oft er erscheint, bedeutet es Unglück.

22. Im Hagenreut stand vor Zeiten eine Ritterburg, beim Vitzdum-Häusel sieht man noch die Stelle. Auch ein Grab von einem Ritter war noch vor einiger Zeit zu sehen. Zur Nachtzeit geht es dort um, drei Ritter reiten durchs Holz. Ein Mann hat sie einmal gesehen, dann aber nimmer heimgefunden.

23. Auf der Feste Burgstein, nahe dem Bergrücken der Farnau, saß ein wilder Burgherr. Seine unmäßige Härte hatte sein Weib früh ins Grab gebracht. Seine einzige Tochter glich der Mutter und weckte dadurch die Abneigung des Vaters. Nach dem Falle der Burg Wolfsegg kam der junge Wolfsegger als Gefangener nach Burgstein. Des Ritters Tochter schenkte ihm ihre Liebe. Als dies aber dem Vater verraten wurde, ließ er die beiden in die Tiefe stürzen. Von nun an trieb er es immer toller, bei den Jagden mußten Bauern die Hunde vertreten. Der Ritter starb bald und wurde in einen Hund verwandelt; wenn der Viechtauer Wind recht tobte, dann behaupteten früher alte Leute, Hundegebell zu hören und sagten: „Jetzt sucht der böse Ritter das Wild!“ Auch die Tochter und der Wolfsegger lassen sich in Mondnächten auf der Felsenspitze, von der sie hinabgestürzt wurden, sehen.

24. Ein Bauer von Salchenöd ging einmal in der Nacht vor sein Haus. Vom Eibeckerholz herüber hörte er schreien: „ Gschuah, gschuah! Huß do, do!“ Er konnte sich den Lärm nicht erklären und ging ins Haus zurück. Die Leute schenkten ihm keinen Glauben und lachten ihn aus. Als sie aber selbst hinausgingen, hörten sie den Lärm genau so. Da verging ihnen die Lust, in der Nacht vor das Haus zu gehen.

In diesem Walde haben einmal zwei Brüder einen Streit ausgetragen. Der eine erschlug den anderen und wurde gefangen gesetzt. Im Kerker nahm er sich das Leben. Seither hört man im Winter das Schreien im Walde. Man meint, daß die Seelen der beiden Brüder noch nicht erlöst sind.

*25. Einen Wilderer in Pischelsdorf ließ die Herrschaft grausam hinrichten; sein Bruder erschlug aus Rache den strengen Richter und muß nun als Geist im Gießbachtale umgehen. Würde sein Leichnam gefunden und in geweihte Erde bestattet, könnte er die Ruhe finden.

*26. Eine Müllerstochter ging mit einem Mühljungen zu einer Hochzeit. An einer sumpfigen Stelle legte sie Brotlaibe in die Lache, um trocken hinüber zu kommen. Als sie aber über die Brote schritt, konnte sie nicht weg und mußte tanzen. Der Bursch lief heim, das Mädchen aber verschwand. Sie muß nun umgehen. Man hat sie auf den zu Stein gewordenen Laiben oft schon nachts tanzen gesehen.

27. Im Schlattenholz zwischen Meggenhofen und Gallspach führt der Weg an einer kreisförmigen Grube vorbei, in deren Tiefe sich Wasser hält. Hier erschien den Leuten, die nachts vorbeikamen, oft ein altes Weiberl und hielt ihnen einen Henkelkorb hin. Aber alle liefen erschreckt davon, ohne den Korb zu nehmen. Um 1840 verunglückte ein Schmiedgeselle tödlich durch Absturz in die Grube. Ein Marterl bezeichnet die Stelle. Von dem Tag an war das Weiberl nicht mehr zu sehen. Es hatte nun sein Opfer. Den verunglückten Schmied soll man um Mitternacht in der Grube hämmern hören.

28. Etwa fünf Minuten von der Pfarrkirchen von Gampern entfernt befindet sich an der Straße nach Seewalchen die Hener Waberl-Grube. Vor vielen Jahren trieben in ihr um Mitternacht ungesühnte Seelen ihr Unwesen. An einer Säule sind Votivbilder befestigt. Sie sind von Leuten gewidmet, die an dieser Stelle vom Spuk angepackt wurden und ein Gelübde taten.

*29. Ein Freigeist in der Ibmer Gegend brachte es zustande, daß er frevelhaft sein eigenes Begräbnis ansehen konnte. Der Teufel holte ihn ins Ibmer Moos, dort wurde er in stürmischen Nächten gesehen.

*30. Dort, wo sich jetzt der Huckingersee befindet, stand einst eine Burg. Der Schloßherr war ein ungemein großer und starker Mann.

Vor dem Schloß stand ein mächtige, uralte Linde. Um seine Kraft zu zeigen, riß er sie bei einem Turnier aus und schleppte sie dorthin, wo der mehr als tausendjährige Baum heute noch steht. Er ist ganz ausgebrannt, weil jedes Wetter in ihn einschlägt. Der Ritter war wegen seiner Grausamkeit gefürchtet und ein Wüstling, der manche Frau im Sumpf verschwinden ließ. Dort hörte man die Unglücklichen, die in geweihter Erde ruhen möchten, in Losnächten klagen. Einst bedrängte der Ritter ohne Scheu die Gattin eines Falkenwärters, als sie eben in der Kapelle vor dem Altar betete. Die geängstigte Frau rief zu Gott: „Lieber läge ich selbst im Huckingersee, als daß ich dein Gebot übertrete. Laß den Ritter mit all seinem Gut in den Abgrund versinken!“ Und wirklich versank die Burg, an der Stelle ist ein Sumpf, der heute noch das Elend heißt. Die Frau liegt im Huckingersee begraben. Das hätte sie sich nicht wünschen sollen, darum muß sie büßen bis an das Ende der Welt, dann nimmt sie Gott zu sich. Für den Ritter gibt es keine Erlösung. Ruhelos wandelt er im Ibmer Moos und muß alle hundert Jahre dem nassen Huckingerweiberl einen Jüngling zum Opfer bringen, damit seine Schuld immer größer wird und er nicht erlöst werden kann. Das letzte Opfer soll um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Forstmann aus St. Radegund gewesen sein.

Nach einer anderen Überlieferung wurde die Schloßfrau von einem Diener beim abwesenden Herrn schwer verleumdet. Dieser schrieb seiner Frau, er werde heimkommen und Rechenschaft verlangen. Die Frau, die den Jähzorn ihres Mannes kannte und fürchtete, betete in der Kapelle, daß ihr Mann sie nicht mehr daheim träfe.

31. Ein Mann aus Königswiesen ging einmal in der Nacht heim. Da kam ein graues Mandl aus dem Walde und hängte sich ihm auf die Achsel. Weil das Mandl einen weißen Stern auf der Brust hatte, fragte er es, ob er es erlösen könne. Es antwortete aber: „Du kannst mich nicht erlösen!“ Noch eine Weile blieb es bei dem Mann, dann schlug es ihm so ins Gesicht, daß er die Spur sein Lebtag im Gesichte trug. Das Mandl aber hat seither niemand gesehen.

32. Ein Bauer ging durch den Heinrichsbühel bei Weitersfelden. Eine Frau kam hinter ihm her und trat ihm dreimal auf die Füße. Beim drittenmal drehte er sich zornig um und fragte sie, warum sie das tue. Traurig antwortete sie: „Hättest du mich auch das drittemal nicht gefragt, wäre ich erlöst. So muß ich warten, bis im Rabensteinerhaus das erste Kind zur Welt kommt.“ Sie schleuderte das Schaff, das sie am Kopfe trug, weg, wo es auffiel, stand lange Zeit nachher eine Wiege. Als in die dann das erste Kind im Rabensteinerhaus gelegt wurde, war die Frau erlöst.

33. Auf der Burg Stein am Inn unterhalb Reichersberg lebten zwei Schwestern, von denen eine blind war. Als sie das Erbe teilten, maß sich die Sehende in einem Vierling mit einem Gupf die Goldstücke, für die blinde Schwester drehte sie den Vierling um und richtete den Bodengupf des Gefäßes hinauf. Für diese Freveltat wurde sie verwünscht und muß nun unerlöst umgehen.

34. Die Rödbauernleute von Berg bei Seewalchen waren geizig. Als sie einst zur Mette gingen, hatte die Tochter das Gebetbuch vergessen und ging zurück, blieb aber spurlos verschwunden. Am nächsten Tag stand ein schwarzer Stier im Stall, der das Zuggeschirr trug. Als man es abnahm, flog es von selbst auf das Tier zurück. Der Stier hatte unheimliche Kräfte und konnte große Bäume umreißen. Bald darauf starben die beiden Bauersleute gleichzeitig. Als die Leute beim Wachen beisammen saßen, verschwanden die Leichen und der Stier. Seither hat man die drei öfter gesehen, den Bauer mit einem Schubkarren, die Frau mit einer großen Laterne und die Tochter mit einem Krug. Sie müssen für den Geiz, den sie im Leben bewiesen, umgehen.

35. In Aurach starb ein alter Auszügler, der es mit der Ehrlichkeit nicht genau genommen hatte. Die Kohlenbrenner Lena, die immer das Geschäft der Leichenfrau besorgte, verbrannte das Bettstroh, sah aber, daß die Flammen lebhaft rot emporzingelten. Da wußte sie, daß der Teufel die arme Seele geholt hatte, denn sonst wäre die Flamme blau gewesen.

36. In Rüstorf hatte ein Wucherer in seinem Haus mit seinem Freund Getreide aufgespeichert und es dann zu Wucherpreisen verkauft. Nach dem Tode mußten die beiden in der Nacht Getreide umschaufeln. Seither ist es in dem Haus nicht mehr geheuer, niemand will mehr dort wohnen.

*37. In einem Bauernhaus lebte ein sehr ungleiches Ehepaar. Der Mann war fromm und gottesfürchtig, die Frau böse und gottlos. Die einzige Tochter artete dem Vater nach. Die Mutter starb, an ihrem Begräbnistag grünte alles und die Vögel sangen. Einige Zeit darauf starb auch der Vater, an seinem Begräbnistag regnete es in Strömen. Darüber wunderte sich das Mädchen, weil es ihr zum Lebenslauf der beiden gar nicht paßte, und oft sann sie diesem Rätsel nach. Da erschien ihr einst eine weiße Gestalt und winkte, ihr zu folgen. Sie führte das Mädchen durch düsteres Gewölbe, ging zu einer Türe und öffnete sie. Auf einer herrlichen Wiese voll Blumen sah das Mädchen den Vater mit frohem Antlitz. Er winkte ihr freundlich zu. Der Geist führte sie weiter zu einem zweiten Tor. Das Mädchen blickte in wilde Felsenklüfte, durch die rotes Feuer fuhr. Unter den Leuten, die hier weinten und seufzten, sah sie die eigene Mutter und fiel mit einem Aufschrei ohnmächtig zusammen. So wurde sie vom Gesinde gefunden.

*38. Ein Fleischhauer in Mauerkirchen gab seinen Kunden schlechtes Gewicht, zur Strafe ist er ins Ibmer Moos verbannt und muß alle Nacht heimgehen und seine Schuld bekennen. Schon oft hörten ihn die Leute rufen: „Drei Viertel ist kein Pfund!“ Nach einer anderen Erzählung erscholl der Ruf des toten Fleischhauers abends nach dem Gebetläuten, der Pfarrer soll ihn in eine Weide am Bache gebannt haben.

39. Der letzte Pfleger auf Schloß Hochhaus (Vorchdorf) verübte Selbstmord, wurde aber trotzdem feierlich begraben. Alles ging „prangen“ und kostbare Leinwand trug man als Spalier. Wie sich der Leichenzug dem Friedhof näherte, sprang ein Hase voraus und verschwand durch das geschlossene Friedhofsgitter. Buben wurden ihm nachgeschickt, um ihn zu fangen, ehe der Zug zum Friedhof kam. Verfolgt sprang der Hase in das offene Grab und als man ihn herausholen wollte, war er verschwunden. Es war kein gewöhnlicher Hase, sondern die Seele des Pflegers, der nicht Ruhe finden konnte.

*40. Ein Amtmann in St. Martin im Innkreis war ein rechter Leuteschinder. So machte er der Herrschaft den Vorschlag, den Bauern, die mit ihrem Getreide zur Mühle über die herrschaftlichen Straßen mußten, als Zoll einen Teil des Getreides abzunehmen. Nach seinem Tode mußte er auf der nämlichen Straße auf einem feurigen Rappen auf- und abreiten und rufen: „Auf und nicht mehr ab!“ Dies sollte wohl sagen: „Ich habe viele Aufgaben auf- und nicht mehr abgebracht.“ Endlich wurde er in das wilde Moos gebannt, dort reitet er noch heutigen Tags.

41. Die Gegend von Kefermarkt wurde von einem bösen Pfleger auf Schloß Weinberg bedrückt, er hat auch als letzter das grausame Urteil über eine Hexe gesprochen. Er muß nun in der Hölle seine Untaten büßen. Ist seine Pein recht groß, so bilden sich an seinem Grabstein in der Pfarrkirche Kefermarkt dichte Tropfen, während eine Grabplatte unmittelbar darunter und die ganze übrige Wand trocken bleibt. Dann sagen die Leute: „Heute muß er wieder in der Hölle schwitzen!“

42. Über Freistadt ging ein furchtbares Wetter nieder, ohne daß ein Tropfen Regen fiel. Unter der Stalltüre des Schlosses stand ein Knecht und sah dem Unwetter zu. Da sah er den einstigen Pfleger in der alten Tracht daherkommen. Als er ihn anreden wollte, verschwand er. Den Knecht überkam solche Furcht, daß er in den Stall rannte und unter einen Kotzen schlüpfte. Im Schlosse sollen früher viele Ungerechtigkeiten begangen worden sein.

*43. Im Dachsteingebiet lebte einst eine schöne Sennerin, die vor Übermut nicht wußte, wie sie nur ihre Mitmenschen ärgern könnte. Zur Strafe muß sie nun als das Dachsteinweibl herumwandern, bis sie erlöst wird. Sie ist eine boshafte Hexe und erscheint als häßliches Bettelweib. Wer sie sieht, soll sogleich umkehren, denn dann ist ein Gewitter im Anzug oder steht sonst Unheil bevor. Der berühmte Dachsteinsteiger Peter Gaggmaier soll ihr auf dem Gosauer Eisenfels begegnet sein.

*44. Zwischen St. Marien und Weichstetten wurde einst ein widerspenstiger Soldat von seinem Korporal niedergeschossen. Seitdem war es an der Stelle nicht geheuer, der Tote trieb sein Unwesen, bis man dort ein Kreuz setzte. Einst ging ein Bursche mit seinem Mädel nachts vom Tanze vorbei und unterließ es, beim Vorübergehen das Kreuzzeichen zu machen. Als ihn das Mädel ermahnte, warum er das Kreuz nicht mache, erwiderte er: „Es is e net brocha!“ Sogleich hörten beide hinter sich den Hufschlag eines Pferdes und liefen vor Furcht davon. Das Mädchen sprang über eine Runse, der Bursch aber fiel hinein und, obwohl er sich nicht verletzte, starb er doch vierzehn Tage hernach. Wie er selbst erzählte, sah er sich vom toten Soldaten verfolgt und als er in der Runsen von ihm erreicht wurde, fühlte er die ganze Last von Roß und Reiter auf sich.

45. Bei einem Wirt in St. Georgen am Fillmannsbach, der viele schlechte Seiten hatte, aber doch auch manche gute Werke vollbrachte, mietete sich ein Geistlicher ein, der stets abends neun Uhr das Fenster öffnete, zwei Kerzen auf den Tisch stellte und bis tief in die Nacht betete. Der neugierige Wirt versteckte sich unter das Bett, weil er Näheres wissen wollte. Der Priester betete bis Mitternacht, da kam der Teufel zum Fenster herein und brachte ihm einen Sack voll Geld und Schmuck von Ertrunkenen. Davon stiftete der Priester Messen für die Verunglückten. Der Teufel bat um eine Kleinigkeit, der Priester verwies ihn auf seine Armut. Der Teufel aber hatte den Wirt in einen Tannenzweig verzaubert und verlangte nun bloß das Zweiglein, das unter dem Bette liege. Nach langem Zögern willigte der Geistliche ein, verbot ihm aber, es mit in die Hölle zu nehmen. So waren dem Wirt seine wenigen guten Werke vergolten. Der Teufel nahm das Zweiglein voll Zorn und ließ es im Walde fallen. Es blieb im Boden stecken und wurde zu einem großen Tannenbaum. Wenn der einmal gefällt wird, ist die arme Seele des Wirtes erlöst.

Nach einer zweiten Sage gab der Priester das Zweiglein unter dem Bett nicht frei, der Satan mußte abziehen und der Wirt bekam seine Menschengestalt zurück. Er ging in sich und besserte sein Leben

46. Ein Mann, der starb und in die Hölle kam, bat und jammerte solange, bis ihn der Teufel zurück auf die Welt ließ. Er kam zu einem Bauern, der nach Fug und Brauch bei jeder Mahlzeit mit seinen Hausleuten betete. Das hielt er aber nicht aus und ging zu einem anderen Bauern, dort ging es ihm nicht anders. Daher kehrte er in die Hölle zurück. Denn wer einmal dem Teufel gehört, kann nimmer beten hören.

47. Ein Knecht mähte in Naarn abends über den Rain in das fremde Feld hinein. Plötzlich hörte er Schreie wie von einem kleinen Kind und sah einen Kopf auf dem Felde auf- und niedertanzen. Voll Schrecken lief er heim und verletzte nie wieder die Grenze. Eine arme Seele hatte ihn durch das Jammern gewarnt.

48. Ein Bauer betete in der Mettennacht für die armen Seelen. Währenddessen brachen Diebe in die Stube ein und hätten den alten Mann, der allein im Hause zurückgeblieben war, leicht erwürgt. Aber die armen Seelen, für die der Bauer eben gebetet hatte, erschienen und füllten die Stube derart, daß die Einbrecher flüchteten.