4. Von Berggeistern, Waldwesen und allerlei Wichten

7. Bergweibl, Bergfräulein und wilde Frauen

*53. Auf dem Traunstein sah man um die Frauenlucke herum noch vor 100 Jahren die Bergweibl Wäsche aufhängen. Dasselbe taten sie in dem Reutgraben bei Altscharnstein. Da wurde den Weiberln von den Leuten oft Essen hingestellt.

54. Wenn über dem Rindbachfall Nebel hängen, so sagen die Leute: „Heute waschen die Bergweibl ihre Wäsche und hängen sie an den Bäumen auf!“ Die Bergweibl helfen Verirrten und zeigen ihnen Beeren und Kräuter. Sie fürchten sich vor den Kobolden, die den Menschen Irrwurzen in den Weg legen, sie necken und irreführen. Findet ein Bergweibl einen Baumstock, in dem drei Kreuze eingehauen sind, so ist es vor den bösen Kobolden sicher.

55. Einst fingen die Leute solch ein Rindbachweibl und fragten es, wohin sie die Saline bauen sollten. Das Weibl gab den Platz an, wo sie heute auch wirklich steht. Man ließ es frei, da rief es: „Hättet ihr gefragt, warum in der Nuß ein Kreuz ist, so wäret ihr Ebenseer reich geworden.“ Mit diesen Worten verschwand es und wurde nie mehr gesehen.

56. Einer Frau bei Ebensee warf ein Bergweibl Laub in die Schürze. Die Frau achtete das Geschenk nicht und warf es über die Felsen hinunter. Da klirrte und klimperte es wie von lauter Talern. Die Frau sprang einem Blatte nach, es war echtes Gold.

57. Bei der Bergweibllücke in Rindbach bei Ebensee wand eine Frau Blumen zu einem Kranze für ihr totes Kind. Da erschien ein Bergweibl und gab ihr Laub in den Hut, der neben ihr lag. Die Frau war verwundert, setzte aber doch über Aufforderung des Weibls den Hut auf. Als sie ihn daheim abnahm, waren lauter Goldstücke darunter.

58. Das „Berighaus“ in Ebensee war früher eine Mühle, die die „Schöffwerker“ mit Mehl zu versehen hatten. Die Müllersleute vermochten die Arbeit nicht zu bewältigen, konnten sich aber wegen der Schuldenlast auf dem Haus keinen Dienstboten „verzahlen“. Als die Müllerin eines Tages ausrief: „Wån i netta wen zan helfn hätt, i kåns schier nimma damåcha!“ hörte sie in der Küche ein Geräusch und ging nachschaun. Ein Weiblein arbeitete flink und fleißig, auf alle Fragen blinzelte und lächelte sie die Müllerin an. Die Frau meinte, der Müllner habe das Weiblein aufgenommen. Aber auch er wußte nichts. Da die Fremde eine willige Helferin war, ließ man sie schalten. Abends verschwand sie beim Gebetläuten und war morgens wieder da. Das Essen, das man ihr hinstellte, rührte sie erst an, wenn sie allein gelassen wurde. Eines Tages half das Zwergweibl der Müllerin beim Teiganmachen, da sah ein zweites Weibl zur Tür herein und rief: „Uschele, Uschele, d’ Ahnfrau is gstorbn!“ Daraufhin stellte das Zwergweibl die Teigschüssel weg und lief zur Tür hinaus. Seither wurde es nie gesehen.

59. Von der Offenseestraße ermöglichte einst der Kraglsteg den Übergang über den Bach in die Hochau. Die Petern Klarl, eine fleißige Almerin von der Rößlalm, ging einst über den Steg und mähte in der Nähe schöne Grasflecken mit der Sichel ab. Eben wollte sie das Gras in ein ausgebreitetes Tuch geben, da stand plötzlich ein kleines verrunzeltes Bergweibl vor ihr, hob das Tuch auf und schüttelte das Gras in den Bach. Damit war es aber nicht genug. Sie riß der Almerin die Grasbüschel aus der Hand weg und warf Steine auf die Sichel, um die Schneid zu verderben. Schließlich riß der gutmütigen Almerin doch die Geduld, sie schlug ihr mit dem Sichelrücken auf die Hand, da pfauchte das Bergweibl vor Wut, sprang der Almerin auf den Rücken, umklammerte mit den dürren Fingern den Hals und erwürgte sie, kragelte sie ab. Ehe noch Holzknechte zu Hilfe kommen konnten, war das Mädchen tot und das Bergweibl verschwunden. Der Steg aber hieß von da an Kraglsteg.

60. In der Gegend von Steinbach hausten Bergfräulein. Auf der Wiese oberhalb Bramhofen konnte man sehen, wie sie ihre weißen Linnen aushingen. Näherte sich jemand, so verschwanden sie. Andere Bergfräulein trieben sich bei Weißenbach und am Heiderberg herum. Sie versammelten sich auf einem Stein bei der Mündung des Weißenbaches und tanzten dort ihre fröhlichen Reigen.

61. Auf den Almweiden oberhalb Bramhofen trockneten die Bergfräulein ihre blendend weiße Wäsche. Kam ihnen ein Sterblicher nahe, so verschwanden sie und hinterließen einen angenehmen Veilchenduft.

*62. Auf der vorderen Grubenalm im Gosautal wohnten wilde Jungfrauen im

„Wildfrauenloch“. Dort hingen sie ihre Wäsche an die Sonne. Sie kamen besonders zur Zeit des Getreideschnittes ins Tal und halfen den Bauern.

63. Ein solches Bergfräulein kam oft zum Steinwendergut in Grünau. Wenn der Bauer beim Essen sagt: „Gsegns Gott!“, dann lachte sie aus vollem Herzen. Einmal vom Bauer um den Grund gefragt, erwiderte sie: „Weil es ihn immer so dånireißt!“ Sie sah nämlich wie der Teufel, der gern am Tisch Platz genommen hätte, durch den frommen Spruch des Bauers vertrieben wurde. Die Menschen konnten das nicht sehen.

*64. Zu einer neuen Schwaigerin auf dem Kasberg kam oft ein Bergfräulein und gab ihr Auskunft über allerlei Dinge. Als die Schwaigerin einen Stein nach dem Vieh warf, um es von der Stelle zu treiben, sagte das Bergfräulein, der Stein sei nicht mehr wert als das Stücklein Vieh. Die Leute sagen auch, der Kasberg sei es wert, mit Kupfer gedeckt zu werden, so reich sei er an Metallen.

65. An dem Bache, der beim Steinwenderhaus in der Grünau vorbeifließt, wusch oft ein Bergfräulein. Einmal kam ein zweites daher und rief: „Salerl, ’s Talerl is gstorbn!“ Dann brachen beide in lautes Weinen aus und wurden nicht mehr gesehen.

66. Die Sonnjungfrauen hingen am Jainzen bei heiterem Wetter Wäsche auf. Wenn ein Neusonntagskind sie um etwas ansprach, schenkten sie es ihm. Eine Bettlerin, die an einem neuen Sonntag geboren war, bat einmal solch eine Jungfrau um eine Gabe. Diese schenkte ihr eine Harreiste und sagte, sie solle nur fleißig spinnen, aber nie bis zu Ende, auch dürfe sie beim Spinnen nicht zornig werden. Die Bettlerin spann und spann, die Reiste wurde nicht kleiner, das Gespinst aber gab die feinste Leinwand. Als sie an einem Samstag eben Feierabend machen wollte, jedoch den Flachs nicht schnell genug abwickeln konnte, schrie sie: „Fertig muß ich noch heute werden und wenn der Teufel drinnen steckt.“ Kaum hatte sie es gesagt, waren Reiste und Leinwand verschwunden. Auch die Jungfrauen wurden seither nicht mehr gesehen.

67. Bei einem Bauern diente einst ein Bergfräulein als Kuhdirn. Namen und Herkunft verschwieg sie stets. Unter ihrer Hand aber gedieh das Vieh so, daß die Bäuerin zu ihrem Verwundern stets Überfluß an Milch, Butter und Schmalz hatte. Fragte sie aber das Mädchen, wie sie es anstelle, war stets die Anwort:
„Tuts mir den rauchen Wurm lieben,
So werds brav Butter und Schmalz kriegn!“

Auch sagte sie oft: „Wenn ihr nur wüßtet, was das Beste an der Nuß ist!“ Sonst war aus ihr nichts herauszubringen. Als sie einmal mit den andern Hausleuten beim Mittagtisch war, kam ein Bauer herein und erzählte, aus dem Walde habe ihm jemand zugerufen: „Sags der Dirn, ihr Vater ist gestorben.“ Als dies das Waldfräulein hörte, wischte sie den Löffel, stand auf und entfernte sich wortlos. Seither wurde sie nie mehr gesehen.

*68. Die Wildfrauen kamen aus verborgenen Höhlen oft plötzlich zu Kindern, die das Vieh hüteten und brachten ihnen gutes Brot und Holzschüsseln mit Milch. Oft auch kamen sie zur Erntezeit auf die Felder und halfen den Leuten, ohne etwas zu genießen. Anderwärts versuchen sie aber auch Knaben mit sich zu locken, die dann nimmer wiederkehren. Einen solchen Knaben sahen einst Holzknechte in grünem Kleide am Berge sitzen. Als sie aber die Eltern dahinführten, war nichts mehr zu sehen. Einst kamen wilde Frauen mit wundervollem langen Haar in ein Dorf, brachten die Schuhe voll Gold mit und fesselten die Männer an sich. Sie wurden aber von den Frauen vertrieben.

69. Bei einem Waldbauern im Höhnhart trat ein wunderschönes, blondhaariges Mädchen in den Dienst. Sie genoß nur frische Milch und hatte so zarte Hände, daß man sie nur spinnen ließ. Der Sohn des Hauses faßte eine tiefe Neigung zu ihr, als für ihn aber die Mutter zu ihr werben ging, sagte sie unter Tränen, nun müsse sie wieder fort. Sie verschwand so rätselhaft, wie sie gekommen war, der junge Bursche aber siechte dahin und starb bald darauf.

70. Vor Jahrhunderten hausten in der Echernwand am Wege zum Waldbachstrub drei Wildfrauen, die in der ganzen Gegend gefürchtet waren. Der Echermüller hatte in schönster Ehe gelebt, sie zogen ihn aber in ihren Bann. Sie schenkten ihm für sein Weib einen schönen Gürtel, er wand ihn um einen Apfelbaum, der sogleich in tausend Stücke sprang. Trotzdem ließ sich der Müller wieder anlocken und ließ sich von den drei Wildfrauen zur Echernwand führen. Mit einem Mal stand er auf einem Felsenvorsprung und konnte nicht vor und nicht zurück. Niemand konnte ihm Rettung bringen, auch die Macht der Wildfrauen reichte nicht aus, den Bann zu lösen. Doch als seine Not am größten war, löste sich der ganze Felsblock, auf dem er stand, von der Wand, stürzte in die Tiefe und begrub den Unglücklichen unter sich. Die Wildfrauen aber wurden von da an nimmer gesehen. Zum Gedächtnis wurde auf dem Felsblock, der seither der Kreuzstein heißt, ein Kreuz angebracht.

Vom Wildfrauenloch im Gosautal geht dieselbe Sage.

*71. Ein Bauer unweit Ampfelwang sah abends, wenn er vom Felde heimging, eine schöne Frau durch die Wiesen wandeln. Es war eine wilde Frau. Er ging ihr nach und traf sie immer wieder. Es spann sich eine stille Liebe an. Oft fragte ihn die Bergfrau, ob er verheiratet sei, er leugnete stets. Da schlich ihm aber eines Tages sein Weib, das Argwohn geschöpft hatte, nach und traf ihn in den Armen der Bergfrau. Gutmütig wie sie war, sagte sie aber nur: „Ei du mein Gott, er hat sich halt in ihre schönen Haare verliebt!“ Nun mußte der Bauer eingestehen, daß er verheiratet sei, die Bergfrau machte ihm schwere Vorwürfe und setzte hinzu, wenn seine Frau zornig geworden wäre, hätte sie ihn zerreißen müssen. So aber schenkte sie ihm einen Schuh voller Gold und ermahnte ihn, gut zu wirtschaften und fortan seinem Weibe treu zu bleiben.

72. Ein Gosauer Bauer verliebte sich in ein Bergfräulein und weilte manche Stunde bei ihr. Eines Tages gab ihm die Wildfrau einen prächtigen Gürtel für seine Frau. Dem Bauer aber stiegen Bedenken auf und er schnallte den Gürtel um eine hohe Tanne. Augenblicklich begann sich der Gürtel zu verengen, in kurzer Zeit war der Stamm durchgeschnürt, so daß der Baum krachend zu Boden stürzte.