1. Von der wilden Jagd

1. Die wilde Jagd

c) Wie die Leute der wilden Jagd begegneten.

24. In der Gaisbacher Gegend ging einst eine Bäurin nachts vom Totenwachen heim. Wie sie über einen Steg kam, hörte sie plötzlich in der Luft ein Geschrei von Pferden, Hunden und Katzen, der Sturm heulte, die Bäume krachten und beugten sich. Die Bäurin wußte nicht, wie sie heimkam, und war am nächsten Tag krank vor Schreck.

25. Beim Eder in Ed bei Haigermoos hörten die Leute abends nach dem Betläuten oft etwas recht Wildes von Hagenreut gegen die Kapelle daherfahren. Wenn sie aber nachschauten, wer denn noch so spät fahre, sahen sie nichts.

26. Ein Knecht vom Grünbichlergute ging am heiligen Abend nach Prägarten in die Mette. Im Lehnerholz hörte er ein Sausen und Brausen, Ächzen und Krachen in den Lüften, es war die wilde Jagd. An ihr soll auch ein Hund vom Auhäusel und eine schwarze Katze vom Aisthäusel teilgenommen haben.

27. Es ging einmal in der Königswiesener Gegend ein Mann von Salchenöd zum Winkler hinüber. Wie er so im Walde dahinging, fing um ihn ein furchtbarer Lärm an, aber sehen konnte er nichts. Auf einmal fiel ihm, er wußte selbst nicht wie, der Hut vom Kopfe. Sein Hund bellte wie unsinnig und wollte nicht weiter, erst als ihn der Mann anlockte, ging er mit, drückte sich aber dicht an die Füße seines Herrn und blieb ängstlich, bis sie zum Winkler kamen.

28. Ein Knecht zu Königswiesen wollte in der heiligen Nacht die wilde Jagd hören. Sehen konnte er nichts, weil es so finster war. So stieg er auf einen Baum und war schon eine Weile oben, da fing in der Luft ein Lärm an, wie er ihn sein Lebtag noch nicht gehörte hatte. Katzen jammerten, Hunde bellten, Hühner gackerten und allerlei sonstige Tierstimmen ertönten. Als es wieder ruhig geworden war, stieg der Knecht vom Baum und ging in die Stube. Er setzte sich auf die Ofenbank und konnte vor Schrecken noch eine Weile nichts reden.

29. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ein Bauernsohn aus Geretsberg eine Braut in der Tarsdorfer Pfarre. Wenn er sie besuchte, mußte er beim Scharfen Eck ein gutes Stück durch den Weilhartsforst. Im Walde begegnete ihm jedes Mal unter wildem Lärm etwas Unerklärliches, Schreckhaftes. Es war ihm, als liefen lauter junge Hunde mit feurigen Augen um ihn. Er schlug mit dem Stocke um sich, traf aber nichts. Mit einmal war der Spuk mit dem gleichen Krachen auf und davon. Er fürchtete sich so, daß er seinen Bruder bat mitzugehen. Der lachte ihn aus, ging aber doch mit. Sie kamen im Walde in das Gelärm. Voll Furcht kehrten sie um und gingen nachts nie mehr diesen Weg.

30. Im Westen von Schwanenstadt steht eine Kapelle. Früher zog hier die wilde Jagd vorbei. Seit die Kapelle erbaut ist, kann sie nicht mehr vorbei, muß in die Lüfte empor und kann der Stadt nicht schaden. Wird aber die Kapelle abgetragen, dann geht die Stadt zugrunde.

*31. Ebenso kam die wilde Jagd, wenn sie von Pfaffstätt gegen Weinberg zog, immer nur bis zur Kapelle beim Fischerhäusel, vorbei konnte sie nicht.

*32. Nach Sonnenuntergang flog das Nachtgjoad einen Fuß hoch über die Erde hin. Wer sich auf das Gesicht niederwarf, dem war es, als gehe ein Luftzug über ihn hinweg, und er hörte Hundegebell. Wer sich aber nicht niederwarf, ob Mensch oder Tier, wurde mitgenommen. So nahm es in Haslach einmal einen Hund mit, am folgenden Tag wurde er zerkratzt und zerfleischt in einem Walde in der Nähe gefunden. Besonders wurden furchtsame Leute von der wilden Jagd verfolgt.

33. Ein 88-jähriger Inwohner in Steinhaus, der seine Kindheit in Ried i. I. verlebt hatte, erzählte 1928: „Meine Eltern machten mich öfters aufs wilde Gjaid aufmerksam, ich solle mich bei seinem Herankommen auf das Gesicht legen, sonst würde ich von ihm zerrissen. Mir ist aber die Jagd nie begegnet.“

*34. Im Hagenreutholz bei Haigermoos, durch das die wilde Jagd ging, wurde ein alter Bauer von ihr überrascht und warf sich zu Boden, da fuhr und kratzte es über seinen Rücken und Hunde und Katzen lärmten.

35. Wenn die wilde Jagd kommt, erhebt sich an irgendeinem Punkt ein Jammern und Klagen, das rasch näherkommt, in der Luft dahinzieht und in der Ferne verschwindet. Wem es auf der Straße begegnet, der wird in der Mitte glatt abgeschnitten. Burschen, die am Freitag jauchzten, wurden oft in Fetzen zerrissen. Wer sich aber zwischen die Wagengeleise der Straße legt oder ein Hufeisen samt den Nägeln bei sich hat, ist sicher. In der wilden Jagd werden die armen Seelen gejagt, darum hacken die Holzknechte drei Kreuze auf den Strunk, wenn sie einen Baum umgesägt haben.

*36. Ein alter Jäger in Henhart kam unter die wilde Jagd und hockte sich schnell zu Boden. Hätte er es nicht getan, wäre ihm der Kopf nach hinten gedreht worden.

37. Vor ungefähr 30 Jahren wurde ein Bauer im Kalten Graben bei Kefermarkt von der wilden Jagd eingeholt. Er warf sich platt auf den Boden und die Jagd ging über ihn hinweg. Unter den Tieren, die mit der Jagd über ihn hinwegbrausten, erkannte er am Bellen seinen eigenen Hund.

38. In der Gegend von Sarmingstein kommt die wilde Jagd in den Rauhnächten den Nößlingerweg herab. Man entgeht ihr, wenn man sich platt auf die Erde legt. Will man sie aber sehen, muß man gut versteckt beim höchsten Dachfenster hinausschauen.

39. Der alte Jager Ferdl wurde in einer Dezembernacht am Wege von Prägarten nach Greisingberg von der wilden Jagd überrascht, er warf sich schnell in das rechte Fahrgeleise und war gerettet.

40. Ebenso wurde vor Jahren ein Knecht am Hainberg bei Pregartsdorf von der wilden Jagd überrascht und rettete sich nur durch Niederwerfen in das rechte Wagengeleise.

41. Ein Bauer und ein Schneider gingen nachts von Pierbach nach Mönchdorf. An der Stelle, wo die Straße bergan führt, hörten sie in den Lüften ein Geschrei von Hunden und Katzen sowie Pferdegewieher. Sie legten sich schnell in das rechte Fahrgeleise, da ging alles über sie hinweg.

42. Der Großvater eines Gschwandter Bauern ging mit einem Kameraden auf den Bullersberg. Oberhalb der Schuhed kam die wilde Jagd daher und der Großvater fürchtete sich sehr. Sein Begleiter aber, dem sie schon einmal begegnet war, blieb furchtlos und sagte: „Wir legen uns auf die Erde und hauchen in den Hut hinein, dann kann uns nichts geschehen.“ Sie taten es und das wilde Gjaid zog über sie hinweg, ohne ihnen zu schaden. Als sie wieder aufstanden, hörten sie die Jagd schon über den Schobersberg ziehen.

43. Die wilde Jagd dürfen nur Neusonntagskinder, Leute, die an einem Sonntag im Neumond geboren sind, sehen. Wer dies aber einmal erlebt hat, der denkt noch nach Jahren mit Schaudern daran. Ein Brausen kommt näher und näher und nimmt unbeschreibliche Heftigkeit an. Aus dem Höllenlärm kann man die Stimmen aller Nationen Tiere unterscheiden und das Dröhnen der verschiedensten Musikinstrumente, dabei rüttelt der Sturm an den Fenstern. Nach einer Viertelstunde nimmt der Lärm allmählich wieder ab.

Begegnet jemand der wilden Jagd im Freien, so muß er sich sofort rechts von der Straße auf den Boden legen, dann zieht sie in Manneshöhe über ihn hinweg. Wen aber ein Pferdehuf auch nur ein wenig berührt, den reißt die wilde Horde mit und nie mehr kommt er lebend auf die Erde zurück.

*44. Einem Burschen in Feldkirchen i. I., der sich zwar vor der wilden Jagd zu Boden warf, aber einen Fuß in die Höhe streckte, damit ein Jagdgeselle darüber stolpere, wurde der Fuß ausgerissen.

*45. Auch im Kobernaußerwald zieht die wilde Jagd. Ein Bauer begegnete ihr, legte sich zu Boden und streckte die Arme in Kreuzform auf der Erde aus. Er kam mit heiler Haut davon.

46. In den Waldschluchten um den Mondsee ist die wilde Jagd daheim. Zum Schutze gegen sie hacken die Holzknechte deshalb nach dem Fällen von Fichtenbäumen drei Kreuze in die Schnittfläche des Stumpfes. Es muß aber mit sechs Streichen gelingen, sonst ist es ein böses Vorzeichen und hilft nicht gegen das wilde Gjaid. Wer sich beim Nahen der wilden Jagd auf solch einen Stamm setzt und betet, ist vor ihr sicher.

47. In den Rauhnächten stürmte einst die wilde Jagd unter Geschrei und Peitschenknallen über die Landauer Point vom Walde her bis in den Ort Mondsee hinein. Vorne jagte eine Meute vieräugiger Hunde, dann folgte der Zug der ungetauften Kinder und ein Schwarm wilder Reiter, von denen ein Teil auf schwarzen Böcken ritt. Die Leute flüchteten in die Häuser, denn wer am Wege angetroffen wurde, mußte mit. Nur wer sich platt auf den Boden niederwarf und einen Rosenkranz oder sonst etwas Geweihtes bei sich hatte, über den stürmte die Jagd schadlos hinweg.

Zuletzt machte der tolle Spuk am Kirchenplatz vor dem schweren Eichentor der Abtei halt. Erst als der Abt vortrat und sein Brustkreuz entgegenstreckte, zerstob die lärmende Geisterschar.

*48. Die wilde Jagd zog früher auch durch das Steckenbachtal bei St. Georgen am Fillmannsbach. Einem Mann, dem sie begegnete, war es plötzlich, als sperre ihm eine Mauer den Weg. Er warf sich zu Boden und kreuzte Hände und Füße, so geschah ihm nichts.

Gegen die wilde Jagd helfen auch Zweige vom Kranzeltag.

49. In Ebensee liefen die Glöckler in der feisten Rauhnacht mit ihren Lichterhauben und Fransen, Glocken und Schellen, um die wilde Jagd zu verscheuchen, dabei kam mancher Glöckler ums Leben. Bei der Sodafabrik befindet sich die Springinsfeldau, hier liegt ein Glöckler begraben. Auch in der Schöfau bei Rindbach bezeichnet ein Kreuz die Stelle, an der ein Glöckler erschlagen und begraben wurde. Seither geistert es dort.

50. Ein Jäger hörte in der Gegend von Königswiesen nachts einmal die wilde Jagd. Er stand auf und trat vor die Tür. Er sah aber nichts, sondern hörte nur, wie die wilde Jagd dahinging. Er holte seine Büchse und schoß in die Luft, da zog die wilde Jagd davon. Wie er in der Frühe hinausschaute, lag eine schwarze Henne draußen.

51. In Katzbrenning im Mühlviertel saßen an einem schönen Sommerabend Burschen auf der Hausbank. Es dämmerte schon, da näherte sich von Norden her das Nachtgjoad mit Hundegebell, Schießen, Schreien und Pfeifen. Zwei Burschen liefen auf das nahe Ackerfeld, um die Jagd zu sehen. Ein heißer Wind drang ihnen so furchtbar entgegen, daß sie sich mit dem Gesicht in die Ackerfurche legten und die Ohren mit den Händen verdeckten. Das Getöse verklang bald gegen Süden und Ruhe war wieder ringsumher. Als die Burschen zu den andern zurückkamen, hatten auch diese nichts gesehen.

52. Ein Königswiesner Bauer stand vor dem Stadeltor, da hörte er die wilde Jagd vorbeiziehen sowie Lärm und Geschrei von Katzen, Vögeln und allerlei sonstigen Tieren. Er rief: „Laßt mir auch ein Trumm von dieser Jagd!“ Ein Kuhfuß fiel vor ihm nieder. Da wartete er nicht länger und schlüpfte voll Schreck und Grauen beim Stadeltor hinein.

53. Bei Wels stand eine Mühle am Waldesrande. Eines Nachts weckte den Müller Wagengerassel, Pferdegetrappel, Katzengeschrei und verworrener Stimmenschall. Der wachsame Haushund bellte wütend, und um die eigene Angst zu unterdrücken, feuerte ihn sein Herr noch an. Als sich der Lärm gelegt hatte, erschien eine dunkle Gestalt am Fenster und rief dem Müller mit heiserer Stimme: „Komm her, Hans! Du hast uns heute mit deinem Hunde jagen geholfen, da hast du dafür ein Stück Wild!“ Durch das Fenstergitter wurde ein großes Stück Fleisch in die Stube geschoben. Am Morgen sah der Müller mit Grauen das unheimliche Geschenk und warf es in den Mühlbach. Als er aber wieder in die Stube zurückkam, war es am alten Platze. Hunde und Schweine ließen es unberührt, auch das Vergraben im Garten half nichts. Da riet ihm der Pfarrer, es im roten Moor zu vergraben. Der Müller tat es und war von dem unheimlichen Wildbret befreit.

54. In einem Bauernhaus in Pischelsdorf hatten sich die Frauen bei der Putzarbeit abends verspätet und die Fenster noch nicht wieder eingehängt. Da kam die wilde Jagd vorbei, die Frauen fühlten sich jedoch im Hause sich sicher und spotteten den Lärm nach. Es flog ein Schafsfuß zum Fenster herein und traf die übermütigste Magd. Als sie nach Jahr und Tag ein Kind bekam, hatte es ein schafähnliches Gesicht, starb aber schon in der ersten Silvesternacht.

55. Ein Bauer ging durch den Wendbachgraben bei Ternberg und hörte die wilde Jagd durch die Lüfte brausen. Er blieb stehen, sonst hätte es ihn mitgenommen. Plötzlich fiel ihm eine Kette vor die Füße und eine Stimme rief: „Pack an!“ Der Bauer wickelte die Kette dreimal um den nächsten Baum. Da rief es wieder: „Zieh die Stiefel aus. Weil du so stark bist, bekommst du deinen Lohn.“ Ein starker Hirsch fiel vor ihm nieder und auf Geheiß füllte der Bauer dessen Blut in seine Stiefel. Als er heimkam, war das Hirschenblut Gold geworden.