1. Von der wilden Jagd

1. Die wilde Jagd

b) Die Tiere müssen mit

*10. Eine Schar böser Geister jagte früher Nacht für Nacht in Gestalt von Rehen, Hirschen, Wildschweinen, Geißböcken und anderem Getier durch die dichten Wälder des Braunauer Bezirkes. Alle Hunde der umliegenden Dörfer zogen mit und vermehrten durch ihr Gebell das Jagdgetöse. Mit Blut und Schaum im Maul kamen sie beim Morgendämmern heim. Wenn einer bei Nacht durch einen solchen Wald mußte und er hörte das wilde Gjaid nahen, so warf er sich flach auf den Boden, dann ging die ganze Schar über ihn hinweg.

11. Kam die wilde Jagd, so mussten alle Hunde vom Hausberg bei Kemating nach Rutzenmoos mit.

*12. In der Aspacher Gegend nahm es die schwarzen Hunde mit, auch wenn Tür und Tor versperrt waren. Selbst die Hunde, die daheim blieben, zitterten und winselten. Im Mühlviertel mußte ein schwarzer Hund, an dem kein weißes Haar war, immer wieder mit, auch wenn er an der Kette lag. Erst nach zwei oder drei Tagen kam er heim.

13. Beim Tischler zu Enzenkirchen hatten sie einen schwarzen Hund mit einem Geißfuß, der nachts auf den Scheitern vor dem Hause lag. Zog die wilde Jagd vorbei, so mußte er mit. In der Frühe war er wieder da, hat aber geleherzt und ist den ganzen Tag liegen geblieben. Die Leute rieten dem Besitzer, dem Hunde mit Kreide ein weißes Kreuz auf den Rücken zu machen. Nun konnte der Hund nimmer mit, aber eines Tages war er spurlos verschwunden.

*14. Die alte Wirtin in Migelsbach am Nordhang des Grindelsberges hatte einen ganz schwarzen Hund. Wenn in der Nacht das Johlen, Lärmen und Krachen auf den Höhen und in den Schluchten des Berges losging, war der Hund nicht zu halten, er mußte hinaus in den Wald. Selbst wenn man ihn einsperrte, ging er durch. Am Morgen kam er schweißtriefend, zerzaust und müde heim.

15. Es gibt „vieräugige“ Hunde, die über ihren Augen eine auffallend lichtere Haarzeichnung haben, die einem zweiten Augenpaar ähnlich sieht. Sie müssen mit der wilden Jagd ziehen.

16. Beim Oberhauser in Aurach hatten sie solch einen vieräuglaten Hund, der nachts zwischen elf und zwölf Uhr mit dem Wilden Gjaid zog und mit großem Lärm zurückkam. Es war umsonst, wenn sie ihn auch einsperrten.

17. Ein Müller in Altmünster hatte einen ausgezeichneten Jagdhund mit Namen Hirschmann, der vieräuglat war. Er streifte gern auf eigene Faust durch Wald und Feld. Als der Müller einmal weiter aus mußte, band er deshalb den Hund an einen Tischfuß und versperrte das Haus. Er hatte aber den Geldbeutel vergessen und kehrte nach wenigen Minuten um. Der Hund war verschwunden. Der Müller hatte länger, als er gedacht hatte, zu tun, erst spätabends konnte er sich auf den Heimweg machen. Ein so starker Sturm überfiel ihn, daß er sich zur Erde werfen mußte. Ein wahrer Höllenlärm ging los, unter den Tierstimmen, die sich fürchterlich bemerkbar machten, vermeinte er die Stimme seines Hundes zu vernehmen. Als es wieder ruhig geworden war, schleppte er sich mühsam heim. Hirschmann lag daheim wieder angebunden, sah aber abgehetzt aus, die Zunge hing ihm heraus. Da wußte der Müller, daß sein Hund die wilde Jagd mitgemacht hatte. Er verkaufte das Tier, es verendete aber bald darauf.

*18. In einem Bauernhaus bei Polling ließen sich Hunde und Katzen nicht halten und machten immer die wilde Jagd mit. Auch in Gößlberg bei Schweikersreit lief ein schwarzer Hofhund mit der wilden Jagd, besonders in der Mettennacht. Es half nichts, wenn man ihn an die Kette legte oder einsperrte.

*19. Wenn die wilde Jagd durch den Schreiberbauerntobel, eine Talsenke unweit Pockelhub bei Ranshofen, ging, verschwand ein schwarzer Hund aus einem nahen Bauernhaus. Am Morgen lag er wieder erschöpft und abgemagert an der Kette. Genau so ging es mit einem Hund in Siegertshaft. Ein großer, schwarzer Hund in Handenberg, der sich auch von der wilden Jagd nicht abhalten ließ, konnte nach seiner Rückkehr vor Erschöpfung drei Tage nichts fressen.

Namentlich schwarze Hunde mit eingewachsenen Krallen, mit sogenannten Boankrallen, müssen mit. Einen solchen Hund hatten sie in Tarsdorf und fürchteten ihn. Er hieß Brandl.

*20. Einem schwarzen Hund, der mit mußte, wenn die wilde Jagd vorbeikam, hängte einmal ein Bauer in Neukirchen an der Enknach einen Laib Brot um. Die wilde Jagd hielt vor dem Haus an und eine Stimme drohte, das Haus mitzunehmen, wenn sie den Brotlaib nicht weggäben. Schleunigst taten sie es und gaben den Hund frei.

21. Bis vor 30 Jahren erregte die wilde Jagd im unteren Mühlviertel großen Schreck. Nicht nur die Tiere des Waldes, sondern auch die Haustiere mußten mit. Als ein Pferdeknecht am Morgen in den Stall trat, waren die Pferde gerade von der wilden Jagd zurück. Schweißtriefend standen sie da und waren den ganzen Tag über müde und erschöpft. Ein Hunde hatte ganz eigenartige Augen wie kein anderer Hund. Er mußte Nacht für Nacht der wilden Jagd folgen, wo sie auch war. Abends winselte er so lange, bis er fortgelassen wurde.

22. Ein Bauer oberhalb Weinberg hatte ein Pferd, das am Morgen meist schwitzte und einmal den Schweif in drei Zöpfe geflochten hatte. Die Bauern kamen zusammen und stellten fest, daß es bei der wilden Jagd gewesen war. Ein Bauer riet, das Fünffußkreuz, das Trudenkreuz, an die Stalltür zu zeichnen. Eine Magd konnte es und von nun an war Ruhe.

23. Auch vom Krepenhofergut in Prägarten zog ein Rappe mit der wilden Jagd, am nächsten Morgen stand er in Schweiß gebadet im Stalle.