Adalbert Depiny: Der Volksbildner

Adalbert Depiny, 1883–1941
Adalbert Depiny, 1883–1941

1920 wurden die Volksbildungsreferate begründet und Depiny zunächst mit Dr. Gärtner zum Volksbildungsreferenten in Oberösterreich bestellt; seit 1924 führte er das Amt allein. Nur schwer und ungern hatte er sich entschlossen, es zu übernehmen. Er fühlte die Verpflichtung, dem breiteren Wirkungskreis und der Möglichkeit ausgedehnterer Heimatarbeit das seinem Wesen so ganz entsprechende Wirken als Lehrer in der engen persönlichen  Gemeinschaft des Schullebens zu opfern. Der umfassende Arbeitskreis dieses Amtes läßt sich nur andeutungsweise anführen. Durchgeistige Heimaterziehung als wertvoller Lebensinhalt, die in  Liebe an die Heimat bindet, aber aus der Kenntnis des eigenen Volkstums heraus auch fremdes Volkstum achten lehrt und immer aus der Enge in die Weite führt, war ihm Volksbildungsarbeit im höchsten und tiefsten Sinn. Auf diesen Grundgedanken fußend, wollte er in seinem Amt einen Sammelpunkt aller volksbildnerischen und heimatkundlichen Arbeit in Oberösterreich schaffen. So entwickelte sich allmählich in unermüdlicher, aufopfernder Arbeit aus der bescheidenen Amtsstelle eine das ganze Land umfassende Arbeitsgemeinschaft, die alle Volksreife einbezog.
In Voksbildungskursen und im Ausbau des Vortragswesens trug er seine Gedanken hinaus ins Land, das Büchereiwesen wurde auf moderne Grundlagen gestellt, Arbeitsgemeinschaften über Heimatkunde und Heimatpflege begründet, der Anlage eines reichen Lichtbildarchivs und seiner Auswertung großes Augenmerk zugewandt. Umfassende Sammlungen wurden angelegt und der Verwertung zugänglich gemacht. In der Förderung und Neugründung von Heimatvereinigungen suchte er überall im Lande Mittelpunkte für volksbildnerische Arbeit zu schaffen, die durch Ausstellungen und Heimatabende ergänzt wurden.
Besonders am Herzen lag ihm die Veredelung der Feiern, die er aus dem hergebrachten, dem Ungeist des 19. Jahrhunderts entstammenden seichten Unterhaltungsbetrieb herausführen und in tiefere, wahre Freude spendende Bahnen leiten wollte. Dem Laienspiel legte er besondere Bedeutung bei. Schon 1920 begann er mit Schülern alte Volksschauspiele und Hans Sachs aufzuführen. Aus diesem Kreis erwuchs ihm seine Spielschar, mit der in den Zwanzigerjahren das ganze Land durchwanderte. Auch in Schulen wurde von seinen Schülern besonders das Weihnachtsspiel gepflegt. Der Totentanz, das Jungfrauenspiel machten als Freilichtspiele tiefen Eindruck. Hier galt es ihm vor allem, vom Theaterspielen für andere wegzukommen und zu einem Spieler und Hörer in eine Gemeinschaft zwingenden Erlebnis zu führen. In den Lackener Spielen und im Ottensheimer Nibelungenspiel (5), in dem er das alte Lied in eine der Gegenwart zugängliche Fassung bringen wollte, erfuhr die Laienspielbewegung einen Höhepunkt. Das Ständespiel (6) und das St. Wolfganger Spiel (7) fielen dagegen ab.
Wenn auch eine schöpferische Begabung in ihm lebte, zum dramatischen Dichter eignete er sich nicht. Über seine Amtsstelle konnte er auch Volksbildungskurse an allen Lehrerbildungsanstalten, am Priesterseminar und bei Gendarmeriebeamten durchführen und so sich einen Grundstock von Mitarbeitern erziehen, der, über das ganze Land verstreut, seine Gedanken der Heimatbildung in die Tat umsetzte. Als Obmann führte er seit 1928 den oberösterreichischen Heimatverein, der in Heimatschutz, Naturschutz und Denkmalpflege einen weiten Arbeitsbereich betreute und durch Vorträge und besonders durch Ausstellungen auch in die Öffentlichkeit wirkte. Ich erinnere an das Brucknerkonzert 1930 und an die Krippenausstellungen, die Lebzelterausstellung und die große Trachtenausstellung des Jahres 1935, die der Trachtenforschung wertvolle Anregungen gab und in breiten Kreisen den Sinn für volksechte Tracht weckte. Trachtenkurse schlossen sich an, Goldhaubengruppen wurden gegründet. Der Zusammenschluß der Mittelschuljugend in Jugendortgruppen des Heimatvereines wurde schon erwähnt. Auf seine Anregung gingen die heimatkundlichen Vorträge im Sender Linz zurück, wo er oftmals sprach. In der Sendereihe „Der oberösterreichische Lebensraum“ sollte in volkstümlicher, aber doch auf streng wissenschaftlicher Grundlage beruhender Form der weite Hörerkreis mit Land und Leuten und ihrer Überlieferung bekannt gemacht werden. Das Amt wurde auch der Mittelpunkt der Sammelarbeit für den "Atlas der deutschen Volkskunde“, dessen Landesleiter für Oberösterreich Depiny war.

Hinter dieser trockenen Aufzählung verbirgt sich eine Arbeitslast,  die er einem langjährigen Kopfleiden förmlich abringen mußte. Es ist erschütternd, in den Amtstagebüchern neben den Eintragungen der zahlreichen Besprechungen, Vorträge, Dienstreisen, Sitzungen, Kurse usw. immer wieder die lakonische Bemerkung "Kopfweh“ zu lesen, oft tagelang hintereinander. Sich endlich einmal gründliche Erholung zu gönnen, dazu nahm er sich nie Zeit. Entspannung und Anregung bedeuten ihm die Reisen zu eigener Fortbildung, zu volksbildnerischen und Volkskundetagungen nach Wien, Bonn, Leipzig, Berlin, Dresden, Würzburg und die verschiedenen Tagungen in Hubertendorf und St. Martin bei Graz u. ä. In den letzten Jahren seiner Amtstätigkeit mußte er von amtswegen auch das Kulturwerk der Vaterländischen Front „Neues Leben“ übernehmen. Um eine Mehrgeleisigkeit der kulturellen Arbeit in Oberösterreich zu verhindern, opferte er diesem Werk viel Zeit und stellte seine Forscherarbeit zurück.

Im Jahre 1938 wurde sein Amt unter besonders harten Umständen aufgelöst. Durch Übergriffe unkontrollierter Elemente wurde er verhaftet und in unwürdiger Form behandelt. Seine Amtsräume wurden ihm verschlossen, Teile des Volkskundearchivs verbrannt, die mühselige Aufbauarbeit langer Jahre, sein Lebenswerk, schien zerstört und abgeschnitten, zumal ihm weitere wissenschaftlicher Veröffentlichungen nur unter größten Schwierigkeiten gestattet wurden; die „Heimatgaue“ wurden ihm entzogen. Er wurde pensioniert und konnte seine Reaktivierung nicht erreichen, trotzdem ihm Genugtuung zugesagt worden war. Diesen Schlag konnte er nicht überwinden. 1939 fand er im Amt des Gaukonservators ein neues Arbeitsheim. Er arbeitete an der Bauernhausaufnahme und führte die Glockenaktion durch. Ihr galt seine letzte Arbeit, sein letztes Wort. Am 19. Dezember 1941 nahm ihn ein rascher Tod hinweg.


(5) Die Nibelungen. Ein Spiel aus Österreich. Linz 1934. Indem er das alte Lied in eine der Gegenwart zugängliche Fassung bringen wollte, erfuhr die Laienspielbewegung einen Höhepunkt.
(6) Ein Ständespiel. Linz 1934 und das St. Wolfganger Spiel
(7) St. Wolfganger Heimatspiel. St. Wolfgang 1937

Adalbert Depiny.
Ein Lebensbild
Autorin: Martha Khil


Ein Artikel aus
OÖ. Heimatblätter
Jg. 1; Heft 1/1947

 
Ein Lebensbild
Elternhaus und Familie
Jugend, Schulzeit
Studienzeit
Lehrerjahre
Die "Heimatgaue"
Der Volksbildner
Der Forscher
Der Mensch


Adalbert Depiny:
"OÖ. Sagenbuch"