Adalbert Depiny: Studienzeit

Adalbert Depiny, 1883–1941
Adalbert Depiny, 1883–1941

1902 ging er an die Universität Wien. Der Tod der Großmutter Seidl und seiner Lieblingsschwester Margit waren ein bedrückender Auftakt. Auch sonst begann die Studienzeit, die für andere den Weg in Freiheit und fröhliche Ungebundenheit bedeutet, unter schweren Wolken. Familienzwistigkeiten zwangen ihn, sich ganz auf sich selbst zu stellen und den Weg des armen Studenten zu gehen, der sich mit Stundengeben mühselig genug fortbrachte. Zum eigenen Studium blieb ihm gewöhnlich nur die Nacht. Von um so erstaunlicherem Arbeitswillen künden seine weitgespannten Studien: Germanistik, Geschichte, Geographie, Volkskunde; schließlich mußte er sich auf Deutsch, Latein und Griechisch beschränken. Auch das alte Schifferblut regte sich und der Drang in die Weite. Wollte er früher Seeoffizier werden, so drängte es ihn jetzt zur Tiefseeforschung. Ein Augenfehler machte dieses Studium unmöglich. Schwere, jahrelange Kämpfe hatte er um seine österreichische Zuständigkeit zu führen, den Dualismus der alten Monarchie verspürte er sehr bitter am eigenen Leib. Unter seinen akademischen Lehrern waren machtvolle Persönlichkeiten, so die Altmeister der Germanistik Minor, Heinzel und Seemüller und der Geograph Penk, ein Gelehrter von Überzeugungskraft und Freund seiner Hörer. Zwei treue Freunde brachten ihm die akademischen Jahre: Karl Emil Blümml, den er als Volkskundler und Kulturhistoriker ungemein hoch schätzte, und Hans Anzengruber, einen Sohn des Dichters, den er in einem Privatgymnasium für die Matura vorbereitete und mit dem er reiche Arbeitspläne schmiedete. Anzengruber starb plötzlich noch vor Beginn des Weltkrieges, Blümml erlag im Jahre 1926 einem Straßenbahnunfall. Damit war schöpferische Zusammenarbeit, die erst ihre Früchte tragen sollte, tragisch abgeschnitten. 1904 rückte er bei den 59ern in der Linzer Wasserkaserne ein, wurde aber nach vier Wochen wieder entlassen. Das Sommersemester 1905 verbrachte er mit Freund Blümml in Tübingen. Er arbeitete an seiner Dissertation über den schwäbischen Dichter Wilhelm Bauer (1), einen Freund und Verwandten Mörikes; dazu waren Studien am Ort nötig. In der Familie des Dr. Bauer, eines Enkels von Wilhelm Bauer, gewann er treue Freunde. Bauer förderte seine Dissertationsarbeiten und ebnete ihm die Wege, was bei dem exklusiven Geist der Schwaben sehr wertvoll war. Bis in die Zeit des Weltkrieges war er jeden Sommer einige Wochen in Schwaben. Das schwäbische Volkstum und Leben lernte er so von Grund auf kennen, so daß seine Dissertation selbst von den Schwaben als ausgezeichnet anerkannt wurde, wenn auch ein alter Herr bemerkte, ein Schwabe hätte sie natürlich noch viel besser gemacht. Die Beschäftigung mit Bauer führte ihn weiter ins Elsaß, nach Straßburg und Bischweiler, wo eine Tochter des Dichters als 80jährige lebte. Sie fand, durch seinen Besuch angeregt, auf dem Boden ein Bündel Briefe von Mörike aus der Zeit, da dieser sein Priesteramt niederlegen wollte. Entsetzt über diesen Inhalt, verbrannte die pietistisch angehauchte alte Frau das ganze Paket und beraubte so die Mörike-Forschung einer wertvollen Quelle. In der Universitätsbibliothek fanden die beiden Freunde Briefe von Justinus Kerner aus der Zeit seiner beginnenden Erblindung, die sie mit einem kritischen Apparat herausgeben wollten. Die Sache kam ohne ihr Zutun an die Öffentlichkeit, ein anderer gab die Briefe ohne Kommentar heraus und die mühsame Arbeit war umsonst gewesen. Auch einen umfangreichen Jugendroman Waiblingers schrieb Depiny damals mühsam ab, gab ihn dann an Anzengruber zur Herausgabe weiter, er blieb aber trotz aller Bemühungen in dessen Nachlaß verschollen. So schlug schon damals der Zufall ihm manchen Erfolg aus der Hand. Die Bauerforschungen beendete er in Weimar, wo ebenfalls Schriften aus dem Mörike-Kreis lagen. Über Dresden und Prag kehrte er nach Linz zurück, reich an Eindrücken, wie sie ein brav im Kolleg abgesessenes Semester ihm nie in solch lebendiger Fülle hätte geben können. Als Hoffnung für später lag vor ihm die Professur in Schwaben, zu deren Erreichung ihm Dr. Bauer seine Unterstützung zusagte. 1907 promovierte er und kam als Supplent an das deutsche Gymnasium in Budweis. Hier heiratete er die Schwester eines Gymnasialmitschülers, Maria Staub. Zu seinem größten Leidwesen blieb der Ehe der Kindersegen versagt. Später nahm er das Kind eines Arbeitslosen in sein Haus.


(1) A. Depiny, Ludwig Bauer. Ein Dichterbild aus Schwaben. Triest 1911.

Adalbert Depiny.
Ein Lebensbild
Autorin: Martha Khil


Ein Artikel aus
OÖ. Heimatblätter
Jg. 1; Heft 1/1947

 
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Adalbert Depiny:
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