Jungfernsee

Mit dem Mondsee hängt im Nordwesten durch die Zeller-Ach der Zeller-, Jungfern- oder Irrsee zusammen. Den Namen Zellersee führt er von dem Dorf Zell, Irrsee von dem nahen Iresberg. Der Name Jungfernsee gründet sich auf eine Sage. Wo jetzt der See sich ausbreitet, stand einst ein Schloss und eine Kirche. Beides erbten zwei Schwestern, von welchen die eine wohltätigen Sinnes, die andere eine Verschwenderin war. Obwohl diese öfters vom Himmel zur Besserung ermahnt und mit Strafe bedroht wurde, so öffnete sie doch nicht ihr Herz der Stimme Gottes. Auf einmal versanken Schloss und Kirche und darüber bildete sich der jetzige Jungfernsee.

Nach einer Variante war die eine der Schwestern, welche das Schloss besaßen, blind. Als sie nach des Vaters Tod das ererbte Geld teilen wollten, kam es zwischen ihnen zum Streit. Die Blinde glaubte sich nämlich von der Sehenden betrogen. Diese schwor aber, Feuer und Schwefel möge herabfallen und sie verbrennen, wenn sie falsch geteilt habe.

Das Maß war indessen wirklich falsch und die blinde Schwester in der Tat übervorteilt.

Eine weitere Sage berichtet: Während die eine Schwester über die Maßen gut und gottesfürchtig, war die andere eben so schlecht und gottlos. Sie schwelgte und prasste, lebte in Saus und Braus und quälte die Armen bis aufs Blut. Das konnte die gute Schwester nicht länger vertragen. Erst ließ sie es an Bitten, Warnungen und Vorstellungen nicht fehlen; da sie hierfür aber nur Spott und Hohn erntete, so schrie sie in ihrer Entrüstung zum Himmel auf um Rache, er möge das Schloss wie Sodom und Gomorrha verbrennen.

Doch nicht Feuer und Schwefel fiel vom Himmel, sondern ein fürchterlicher Wolkenbruch entlud sich, und unterirdische Gewässer suchten sich tosend einen Ausweg, um an die Oberfläche zu gelangen. Das Schloss sank, die Wasser stiegen mehr und mehr, und bald war nichts mehr zu sehen von den herrlichen Fluren, welche hier früher die Erde geschmückt hatten. So entstand der Jungfernsee.

Der Wirt Klaushofer aber, welcher das Uferrecht zum Überführen der Fremden, sowie das Fischereirecht im See hatte, versicherte oft, von seinem Vorfahren Leopold Lethner gehört zu haben, dass er beim Fischen, wenn der See ruhig und klar war, am Grunde desselben nächst dem Wildeneckergute einen Kirchturm und ein herrliches Schloss gesehen habe.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
I. Elementar-Sagen