Die Sagen von Heiden- und Römerstädten und von Götzentempeln

Die verschiedenen Sagen von diesen Städten und Tempeln beweisen, dass im Volke die Überzeugung verbreitet war, Oberösterreich sei in früherer Zeit von einer heidnischen Bevölkerung bewohnt gewesen. Die Sage erwähnt nicht, ob diese Zeit eine römische, ob eine vor- oder nachrömische war. Aus der Geschichte wissen wir, dass das Christentum im Anfang des vierten Jahrhundert in Oberösterreich Eingang fand. Im Jahre 312 erließ der römische Kaiser Konstantin der Große ein Edikt, in welchem den Christen im ganzen römischen Reich die Ausübung ihres Religionskultus eingeräumt wurde, aber erst am Ende des vierten Jahrhundert wurde das Heidentum von Kaiser Theodosius dem Großen gänzlich verboten. Er ließ die Tempel zerstören oder in christliche Kirchen umwandeln.

Als die Bajuwaren unser Land besetzten, waren sie noch Heiden, aber in der kurzen Zeit, welche bis zu ihrem Übertritt zum Christentum erfolgte, bauten sie gewiss keine Tempel aus Stein, welche bei den heidnischen Germanen ohnedies nicht im Gebrauch waren, noch viel weniger aber Städte, die bei den alten Deutschen überhaupt erst in viel späterer Zeit und nicht vor dem elften Jahrhundert entstanden.

Wenn die Sage also von heidnischen Städten und Tempeln berichtet, so kann sich dieselbe nur auf die Zeit der römischen Herrschaft oder auf die noch frühere keltische Periode beziehen. Was die untergegangenen Städte betrifft, so hat die Sage von denselben wohl nur in den römischen Funden ihren Ursprung; es handelt sich daher um römische Städte, und nur das einzige Gessodunum deutet seinem Namen nach auf keltischen Ursprung.

Was die Götzentempel betrifft, so hatten die nordischen Kelten aller Wahrscheinlichkeit nach keine Tempel, sondern nur heilige Stätten, die gewöhnlich mit Steinkreisen umgeben waren, wie selbe in vielen Ländern noch teilweise vorhanden sind. Die sagenhaften Götzentempel können daher nur der römischen Periode angehört haben.

Solche Heidenstädte, von welchen die Sage berichtet, waren Gessodunum bei Goisern, die Heidenstadt bei Altmünster, die römische Stadt bei Ranshofen, eine Stadt zwischen Lengau und Lohen; Götzentempel befanden sich an der Stelle der Pfarrkirchen zu Altmünster und zu Steinbach am Attersee, dann zu Spital am Pyhrn, zu Taiskirchen.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
II. Historische Sagen