Die Monstranz in der Mauer

Vor vielen Jahren lebte in Wels ein Ehepaar, das ein ganz kleines Haus bewohnte. Als schon der Abend ziemlich vorgerückt war, kamen einmal zwei Reisende, welche um Gottes willen eine Nachtherberge erbaten. Das menschenfreundliche Paar räumte ihnen sein eigenes Schlafzimmer ein und machte sich recht und schlecht, so gut es eben ging, in einer sonst ganz unbewohnten Kammer eine Schlafstätte zurecht. Als die Mitternachtsstunde gekommen war, hörten die Eheleute von der Mauer her eine wunderbare Musik, und ihre Ohren vernahmen deutlich den Lobgesang: „Heilig, heilig, heilig!“

In der nächsten Nacht lauschten die beiden wieder der überirdischen Musik. Der Mann klopfte am nächsten Tage an die Stelle der Mauer, aus welcher der süße Gesang ertönt war, sie klang hohl. Er holte sofort Werkleute, welche die Mauer durchhauen sollten. Ziegel um Ziegel wurde herausgenommen, und der erstaunten Gesellschaft zeigte sich eine Höhle, in welcher eine Monstranz mit der heiligen Hostie sich befand. Die Monstranz soll über ein Jahrhundert an dieser Stelle gestanden sein und wurde dann in feierlicher Prozession in eine Kirche übertragen.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
III. Legenden und fromme Sagen