Das Tausendguldenkraut

Am Donaustrand stand die Burg des Ritters aus einem mächtigen Geschlecht. Von Ritter und Burg ging der Name verloren, aber das erzählt uns die Sage, dass er war weise wie Salomo, fromm und gottergeben wie Job, schön wie Adonis, stark wie Herkules und reich wie Krösus. Sein Glück teilte er mit der tugendhaften Burgfrau, einer Blume weiblicher Schönheit.

Ein schweres Siechtum befiel den Ritter, und alle Kunst der Ärzte vermochte keine Besserung herbeizuführen. Den Beistand der Zauberin am Stein wies der fromme Mann zurück, fest vertrauend auf göttliche Hilfe durch die Fürbitte des heiligen Antonius des Einsiedlers.

Wochen und Monate waren vergangen, und die Genesung war so ferne wie je. Es war eben der schöne Maimonat ins Land gekommen, und der kranke Ritter wurde in den Park geführt und ließ sich da, um die Fernsicht zu genießen, an einem der reizvollsten Punkte auf das mit Teppichen belegte Grün nieder.

Seufzend erschaute der Kranke all die Herrlichkeit der Erde um ihn her, und mit tränenfeuchten Blicken gelobte er, so er genesen würde, zeitlebens jährlich wahrhaft Armen tausend Gulden zu spenden. Er betete lange, so lange, bis, an Leib und Seele erschöpft, sanfter Schlummer ihm die Augen schloss. Und im Traum erschien ihm der heilige Antonius, zeigte ihm ein Blümlein, welches bisher allseits unbeachtet geblieben war, und das in der ganzen Gegend häufig vorkam, belehrte ihn über dessen Gebrauch, ermahnte ihn zur treuen Erfüllung des Gelübdes – und entschwand.

Der Kranke erwachte voll froher Hoffnung, und rings um sein Lager erblühte das im Traum gesehene Kräutlein.

Der Tee heilte den Ritter von seiner Krankheit, und jährlich erhielten die Armen mehr als tausend Gulden zur Danksagung für die Wirkung der Pflanze, welche seit dieser Zeit den Namen Tausendguldenkraut trägt.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
V. Romantische Sagen (Sagen verschiedenen Inhaltes)