Das Jägerbild

Wer vom uralten Fichtenstein (Viechtenstein) aus über Weinbrunn nach Stadl geht, wird an einer alten Buche, die fast mitten zwischen den letztgenannten Ortschaften auf der Wasserscheide des mit Buchen gekrönten Sauwaldes steht, ein Bild des heiligen Hubert erblicken, in einen zierlichen Rahmen gefasst. In die Rinde fast eingewachsen, bemerkt man ein Bild der heiligen Jungfrau und um dieses noch mehrere andere. Wie das Marienbild dorthin kam, darüber geht folgende Sage.

Im vorigen Jahrhundert, als im Sauwald und Schöfberge noch Hirsche gehegt wurden, war in der Ortschaft Stadl, welche von dem ehemals dort befindlichen Hirschenstadl den Namen trägt, ein kräftiger Jägersmann, namens Greiner. Dieser war der gefürchtete Feind der Wildschützen, denn gar mancher musste, von ihm auf frischer Tat ergriffen, im finsteren Diebsthurme zu Fichtenstein schmachten. Diese lauerten ihm nun allenthalben auf und schlichen sich in finsterer Nacht in die Nähe seines hölzernen Wohnhauses.

In einer finsteren, kalten Novembernacht trafen ihn die Wilderer, weit von seinem Hause entfernt, unbewaffnet am Eingange des Waldes. Sie überfielen ihn, schleppten ihn zur Buche, entkleideten ihn und banden ihn rücklings so an den Stamm, dass er unmöglich loskommen konnte. Sie suchten das Weite. In der höchsten Not, denn bereits waren seine Glieder vor Kälte starr geworden, wandte er sich an die, die über Sternen thronen. Laut rief er zur Mutter Gottes; die Kette mit welcher er gefesselt war, löste sich – er war frei.

Schon im nächsten Monate hatte er ein Bild in die Rinde des Baumes setzen lassen, dass es die Rettung verkünde jedwedem Wanderer.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
III. Legenden und fromme Sagen