Adelwang

Ein schmucker Jägersmann mit Speer und Bogen und wallendem Helmbusche, den Degen an der Seite, schritt eilig dem Walde zu, in dessen Einsamkeit Petronilla, das reizende Försterskind wohnte. Vor wenigen Monden hatte er das liebliche Mädchen getroffen, als es vor dem an einer Eiche angebrachten Bilde der schmerzhaften Mutter Gottes sein Taufgelübde erneuert hatte, und sofort waren zwei Herzen in Liebe verbunden. Täglich lenkte er seine Schritte zu dem Walde, wo er in der Nähe der Eiche von Petronilla erwartet wurde. Er hatte ungefähr noch eine Stunde zu gehen, als ihn der alte Bettler Thomas, der auf einem Steine am Bache saß, um ein Almosen ansprach. Der schlaue Bettler hatte sich diesen Platz wohlgemerkt, und zur bestimmten Stunde war er dort zu finden; denn er konnte jedesmal auf ein großes Silberstück rechnen, eine Gabe, die er sonst wochenlang nicht zusammenbrachte.

Auch heute warf der Jäger eine Silbermünze in den Hut des Bettlers und wollte vorübergehen. Dieser aber hielt ihn an. „Herr, sie ist heute nicht allein. Schaut, dass Ihr Euch unbemerkt der Eiche nähern könnt, so werdet Ihr wohl etwas sehen, was Euch nicht lieb sein wird. Gott vergelte Euch die Gabe.“

Aufgeregt eilte der Jäger der bezeichneten Stelle zu. Vorsichtig schlich er durch das Dickicht und sah, wie Petronilla am Halse eines jungen Kriegers hing, der den Hauptmannshut trug, und die rosigen Lippen des Mädchens mit Küssen bedeckte.

Petronilla gewahrte den Nahenden und flog ihm entgegen. Dieser aber stieß das Mädchen wutentbrannt von sich und stürzte auf den Hauptmann.

Schändlicher, Du hast mir meine Welt geraubt. Dein Herzblut soll mir's zahlen!“

Der Hauptmann schwieg, aber ein feines Lächeln umspielte seine männlich schönen Züge.

Friedrich,“ bat das Mädchen, „Friedrich, glaube -“

Der mit Friedrich angesprochene Jägersmann hielt die ruhige Haltung des Hauptmannes für Spott und wurde auf's äußerste erbittert.

Der Tod wäre für Dich eine zu geringe Strafe, aber ich weiß einen Lohn für Deine Untat, der bitterer ist als der Tod!“

Friedrich hob die flache Hand empor und versetzte dem Hauptmann einen gewaltigen Streich auf die Wange, dass dieser zurücktaumelte und wütend sein Schwert erfasste.

Aber plötzlich hielt er inne.

Auf dem Schlachtfeld bei Wiener Neustadt habt Ihr mir den Schlag verweigert,“ sagte er, sein strahlendes Auge fest auf Friedrich richtend, „jetzt habt Ihr mir den Schlag aus freiem Willen gegeben; Herzog Friedrich, ich bin geadelt!“

Und der Hauptmann kniete nieder und küsste die Hand des Herzogs, der staunend fragte, was das zu bedeuten habe.

In der Schlacht bei Neustadt,“ fuhr der Hauptmann fort, indes Petronilla weinend an seiner Seite stand, „wurde Herzog Friedrich's Streitross von einem Wurfhaken niedergeschmettert. Zehn blitzende Klingen umschwirrten das geheiligte Haupt des Fürsten, eine davon hätte ihn sicher getroffen, aber sie fiel auf diese Wange, die Herzog Friedrich soeben geschlagen hat.“

Du bist Treuhold, der mir das Leben gerettet?“ sprach beschämt Herzog Friedrich der Streitbare.

Und Petronilla ist meine Schwester,“ entgegnete der Hauptmann.

„Wohlan,“ rief Friedrich, „auf dem Schlachtfelde bei Neustadt habe ich Dir den Ritterschlag verweigert, weil Du noch zu jung schienst, den anderen Säulen eines Herzogstuhles ebenbürtig gegenüberzustehen, heute hast Du ihn erhalten. Mit diesem Schlage, den ich vor der ganzen Ritterschaft mit dem Schwerte wiederholen werde, habe ich Deine Wange geadelt; Du bist der Ritter der Adelwange.

Der winterliche Sturm der folgenden Kriegsjahre hat den Kranz der Liebe zwischen Petronilla und dem Herzog zerrissen.

Dem Andenken an diese Begebenheit soll der Ritter der geadelten Wange unweit des Steines am Bache, wo der graue Bettler saß, und an welcher Stelle sich jetzt das wunderliebliche, gewerbfleißige Steinbach erhebt, der heiligen Jungfrau zu Ehren eine Kirche erbaut haben, welche, sowie die kleine Anzahl von Häusern herum, jetzt Adelwang genannt wird.

 

Eine andere Sage berichtet:

Zu Adelwang befindet sich bei der dortigen Wallfahrtskirche ein sogenannter heiliger Brunnen, schon lange wegen seiner Heilkräfte besucht, noch mehr aber durch die Sage berühmt, dass man bei demselben nachts öfters eine königliche Jungfrau im schneeweißen Kleide, mit flatternden Haaren, in welche blitzende Diamanten gewunden sind, wandeln sehe.



aus "Oberösterreichische Volks – Sagen"
gesammelt von Kajetan Alois Gloning
III. Legenden und fromme Sagen