Der Stollen unter der Donau

Blick auf die Urfahrer Wänd mit Urfahrer Königsweg und Pöstlingberg vom
Blick auf die Urfahrer Wänd mit Urfahrer Königsweg und Pöstlingberg vom Linzer Königsweg aus. Foto: Elisabeth Schiffkorn

 Autorin: Elisabeth Schiffkorn


Peter Zehentner wuchs in der Altstadt, im Haus Hofberg Nr. 4, auf. "Die alten Leute erzählten, dass am Linzer Ufer vom Bunker bei der Wasserstiege aus ein Stollen unter der Donau durchgeht, der beim Spatzenbauern in Urfahr wieder herauskommt. Wo genau die Ein- oder Ausgänge sind, weiß niemand."

Auch in Urfahr ist diese Sage noch in Erinnerung.

Rudolf Mayer, Besitzer des Heurigengasthofes Spatzenbauer in der Berggasse 39: "Von einem Stollen erzählten mir meine Eltern. Wenn Fuhrwerke durch den Hof fuhren, dröhnte es, wie wenn der Boden darunter hohl wäre; das sei der Durchgang zum Schloss Hagen, wurde damals gesagt."
Der Spatzenbauer erhielt seinen Namen von ehemaligen Besitzern. Marco, Johann und Peter Spaz waren im 17. Jahrhundert als Bildhauer und Steinmetzen in oberösterreichischen Klöstern und im Linzer Landhaus tätig. Ein französischer Plan der Umgebung von Linz aus dem Jahr 1744 führt den Namen Atzen an.
Ursprünglich hieß der Spatzenbauer Burgerhof und wurde erstmals 1477 urkundlich erwähnt.
Dass es sich um ein stattliches Anwesen handelte, berichtet Anton Ziegler in seinem "Rückblick auf die Geschichte der Stadt Urfahr a. d. Donau in Oberösterreich" um 1920: "Das Burgergütl, dann Spatzenhof, seit 1477 starhembergisch, kaufte im Jahre 1673 der kaiserliche Salzherr Losy von Losenau und erreichte auch die Freyung des Sitzes von den herrschaftlichen Abgaben.
Nach Losy besaß es bis 1721 die bekannte Linzer Kunststeinmetzfamilie Spatz oder Spätz, nach der das Gut noch heute den Namen hat. 1782 kaufte den Besitz der starhembergische Pfleger Eustachius Möcke. Damals gehörten noch 21 Joch Gründe, darunter die große Bürgerleiten, zum Haus. Der Schätzwert betrug 1.000 fl. Im Jahre 1673; im Jahr 1721 schon 2.000 fl. Und 1862 war
der Kaufpreis 14.500 fl.!"

Urfahr zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Urfahr zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Bildquelle: Nordico – Museum der Stadt Linz

Über den Spatzenbauer führte vor dem Bau der Straße am linken Donauufer nach Ottensheim im Jahr 1712 eine Fahrstraße über die Urfahrer Wänd in das Donautal. Dieser Weg wurde 1954 nach einer schon früher gebräuchlichen Bezeichnung "Urfahrer Königsweg" genannt und ist heute nicht mehr begehbar, da beim Ausbau der Rohrbacher Bundesstraße und beim Schleifen der Häuser an der Donauwänd auch sein unterer Teil gesprengt wurde. Bis dahin wurde der Weg bei Hochwasser noch als Ausweichmöglichkeit benutzt.
Günter Kaar: "Noch beim Hochwasser des Jahres 1954 gingen wir auf diesem Weg von der Hagenstraße nach Ottensheim."
Dem Kaiser Maximilian I. verdankt Linz die Errichtung der ersten hölzernen Donaubrücke im Jahr 1497. Bis dahin wurden Menschen und Waren mit einer Überfuhr ans nördliche Donauufer gebracht. Linz war der Ausgangspunkt für den Handel nach Böhmen und bereits im 10. Jahrhundert urkundlich als "Handelsplatz und königlicher Marktort" bezeichnet. In der Raffelstettener Zollordnung aus dem Jahr 905 wird Linz als Mautstelle genannt; daher muss am Donauufer ein
Lande- und Umladeplatz vorhanden gewesen sein.
Die Waren wurden auf dem alten Fernverkehrsstraßenzug Hofberg–Altstadt durch das Obere Wassertor auf die heutige Obere Donaulände gebracht und von dort zum Transport über die Donau verladen.
Etwa von dieser Stelle aus soll der Sage nach der Stollen durch die Donau führen.

Vor dem Bau der Brücke im 15. Jahrhundert musste zur Donauüberquerung eine Fähre benutzt werden. Im Sommer bei Niedrigwasser konnte die Donau auch als Furt benutzt werden.

Nach der Überquerung der Donau erreichte man bei einer Donauüberquerung das Platzl in Urfahr. Allerdings lag früher der Brückenkopf wesentlich tiefer als das erst im Jahr 1872 aufgemauerte Platzl. Die Brücke bestand aus 211 Holzjochen, die oft und oft durch Hochwässer beschädigt oder ganz weggerissen wurden.
Vom Platzl weg führte der Weg Richtung Ottensheim über die Ottensheimerstraße, ein Zweig des gleichfalls uralten Königsweges (via regia), die von 1713 bis 1715 als Fahrstraße ausgebaut worden war. Die Straßen nach Gramastetten, St. Magdalena und Steyregg wurden ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den neuen Verkehrsverhältnissen angepasst.
Durch die schmale Straße Im Tal führte die Straße, um den “großen Stein” am Beginn der Urfahrer Wänd zu umgehen, in die Berggasse. Diese ist heute durch den Bau der Mühlkreisbahn abgeschnitten und nicht mehr durchgängig befahrbar. Die Berggasse führte in früheren Zeiten ohne Unterbrechung zum Spatzenbauer, der sich oberhalb der Urfahrer Wänd befindet, erreichte damit
die höchste Stelle und mündete in den Königsweg, der wieder abwärts in das Donautal führt.
Der ehemalige Name Burgerhof für den Spatzenbauer deutet darauf hin, dass dieser Bergsporn an der Flanke des Pöstlingberges schon in prähistorischer Zeit besiedelt war. Die Sage vom Stollen durch die Donau könnte so die Erinnerung der Linzer an eine uralte Straßenverbindung von der Linzer Seite in das Gebiet Puchenau–Ottensheim–Feldkirchen wach halten.

Linz von den Spatzenberggründen aus.
Linz von den Spatzenberggründen aus. Farbige Lithografie von Sandmann nach einer Zeichnung von Chapny um 1850. Bildquelle: Nordico – Museum der

Die Lage des Spatzenbauern auf einem Bergsporn oberhalb der Urfahrer Wänd lässt vermuten, dass dieser Hof eine Art Wächterfunktion hatte. Am Freinberg, Luftenberg oder am Gründberg sind größere prähistorische Siedlungen nachweisbar. Auch Anton Ziegler wagt "mit aller Reserve eine Vermutung" für die nächste Umgebung Urfahrs:
"Am 13. Feber 1477 verkaufte Balthasar Eberstaller, Pfarrer zu Hellmonsödt, dem Herrn Ulrich von Starhemberg sein Gut auf der purgk herderhalb der Tunar gegen dem Geschloß zu Lynnz über. Diese Urkunde war bisher rätselhaft; denn eine Burg gegenüber dem Linzer Schloss ist ganz unbekannt. (Hagen kann unmöglich gemeint sein, denn dieses Gut wurde erst 1609 ein Edelsitz.)
Nun heißt aber der Spatzenbauerhof in den älteren Urkunden Burger-, später allgemein Bürgergut. Dieses ist also vermutlich das Gut ’auf der Burg’, was ja auch für die angegebene Lage ganz stimmt. Nachdem aber von einer historischen Burg nichts bekannt ist und eine solche nach der Entwicklungsgeschichte Urfahrs im Orte selbst auch kaum gewesen sein könnte, so bleibt nur die Annahme einer vorgeschichtlichen Befestigungsanlage beim Spatzenbauer übrig."


Aus dem Buch "Linzer Sagen und Geschichten. Das Oberösterreichische Sagenbuch", Band 1 von Schiffkorn, Elisabeth. (Kap. 16, S. 152–157)

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