Meineid und Pest im Atterseegebiet

Schober: Attersee, Unterach, Mondsee, Drachenwand
Schober: Attersee, Unterach, Mondsee, Drachenwand. Foto: Sepp Aitenbichler

Aus dem Buch "Sagen. Kulturschatz aus dem Salzkammergut" von Sepp Aitenbichler


Als die Pest vor Jahrhunderten das Gebiet um den Attersee heimsuchte, wurde behauptet, dass sie Gottes Strafe für den Meineid eines Bauern gewesen sei. Der Mann hatte bei einem falschen Schwur seine Hand auf die Heilige Schrift gelegt, daraufhin wurde sie schwarz. Bald war sein Körper mit dunklen Beulen bedeckt, und er starb eines qualvollen Todes.

Kaum war er bestattet, kroch die Pest in die Häuser des Attersee-Landes und verschonte keinen Haushalt. Die schreckliche Seuche kam zuletzt zum Kogibinder. Jeden Tag starb eines der Kinder, bis zuletzt nur Mariandl übrig blieb. Das Mädchen irrte nun allein durchs Haus.

Die Kuh spendete Milch, von den Hühnern erhielt sie Eier, und Mehl nahm sie aus der Truhe. Trotzdem befiel auch sie heftiges Fieber. Zuerst suchte die schwarze Dohle den Todesengel, fand ihn aber nicht, auch der Hühnerhabicht konnte ihn mit seinen scharfen Augen nicht erspähen. Erst der Hirsch sah ihn am Bach sitzend und bat, das Kind zu erlösen.

Der Todesengel trat zu dem Mädchen, löste sein langes blondes Engelshaar, spann das Kind darin ein und trug es ins Totenreich. Nun waren die Haustiere ihrem Schicksal überlassen: Kühe muhten und brüllten verzweifelt, Schafe blökten, Katzen streunten durch die menschenleere Gegend und der Hunde klagendes Geheul erfüllte die dunklen Nächte. Niemand schnitt das reife Korn, und niemand bekümmerte sich um das Obst, denn es wurde nichts mehr benötigt.
Nur der „Faschinger" war noch am Leben. Verzweifelt über seine Einsamkeit, zündete er am Seeufer ein Feuer an und hielt Ausschau, ob sein Zeichen am gegenüberliegenden Ufer bemerkt würde. Da sah er in der Gegend von Weyregg einen Funken, der allmählich zu einer lodernden Feuersäule wuchs. Er ruderte auf den See hinaus und traf mit einem Boot zusammen, in dem eine junge Frau saß. Der Faschinger und die Weyreggerin begruben nun zahlreiche Verstorbene an dem Ort, der heute noch „Eilend" genannt wird.
Die Zeit heilt jedoch Wunden. So gründeten die beiden eine Familie, von der die heutigen Bewohner um den Attersee abstammen.


Aus dem Buch "Sagen. Kulturschatz aus dem Salzkammergut"
von Sepp Aitenbichler; S. 49; ISBN 978-3-9502460-0-1

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