6. Von Ungeheuern, Drachen und wilden Tieren

1. Ungeheuer, Drachen und Schlangen

1. Die Stempe ist der Schreck aller Kinder, die nicht die Schüssel ausessen wollen. Mit ihrem breiten Schwanenfuß tritt sie alle Kinder zu Brei, es hilft ihnen weder Beten noch Bitten.

2. Wer vom Märzenkalb geschlagen oder gestoßen wird, erkrankt meist an der Lunge.

3. Die Roggenmuhme schleicht durch die Felder und verführt durch ihr leuchtendes rotes und blaues Gewand die Leute, die Felder zu betreten, dann hält sie sie aber fest.

4. In den Klüften der Drachenwand hauste einst ein schrecklicher Drache und verheerte die Gegend. Ein tapferer Ritter faßte den Beschluß, es mit dem Drachen aufzunehmen. Er baute sich einen Wartturm, um von hier aus die Felsengegend beobachten zu können. Es gelang ihm auch, den Schlupfwinkel des Untieres zu entdecken und es nach hartem Kampf zu erlegen. An den Wartturm erinnert noch die Ruine Wartenfels am Schober, dem Nachbarberg der Drachenwand.

5. Im Oberland ober Laufen hauste in einer Höhle ein großer Lindwurm, der oft lange schlief und sich nicht rührte. Wenn er aber wach war, dann war Mensch und Tier verloren, wenn es in seinen Hauchbereich, sein „Pfausat“, kam. Man mußte aber für Futter sorgen, denn wäre das Ungetüm aus seinen Drachenloch herausgekommen, wäre das Unheil noch größer gewesen. Man beschloß, einen Ochsen auszuhungern, ihm einen Futtersack in geschickter Weise vorzubinden und ihn dann mit verbundenen Augen gegen das Drachenloch zu treiben. Um den Leib band man dem Tiere Sackel mit ungelöschtem Kalk in der Hoffnung, der Drache werde sie mit hinabschlingen. Durchs Los wurde entschieden, wer den Ochsen zur gefährlichen Stelle treiben sollte. Es traf den Schulzen selbst. Die Seinen weinten, doch er machte sich auf den gefährlichen Weg. Allein ein Bursch, der die Schulzentochter heimlich liebte, trat vor und sprang für ihn ein. Er nahm eine lange Leine, band sie um einen Baum, das andere Ende knüpfte er an seinen Gürtel. Dann trieb er, während die anderen alle stehen blieben und nachsahen, den Ochsen zur Höhle. Der hungrige Drache witterte die Beute und kam aus seiner Höhle. Ehe der Ochse sich wenden konnte, hatte ihn der Lindwurm erfaßt und zog ihn in die Höhle, aus der man bald das Zerkrachen der Knochen des Opfers hörte. Der Bursch, der vergeblich einen Speer gegen das Untier geschleudert hatte, hantelte sich an der Leine ein Stück zurück, brach aber vom giftigen Atem des Drachen betäubt zusammen. An der Leine zogen ihn aber die Leute, voran die Schulzentochter, zurück auf sicheren Boden. Von der Höhle hörte man den Drachen aus einer Lache schlürfen und saufen, bald darauf vernahm man das Heulen und Winden des Drachen, der Kalk tat seinen Dienst. Als es ruhig geworden war, wußte man, daß der Drache verendet war. Die Gefahr war damit aber nicht vorbei. Das Wasser, das aus der Höhle floß, führte Unrat vom verwesenden Drachen mit und brachte die Pest unter die Leute.

6. Am Mondsee hauste vor langen Jahren ein furchtbares Seeungeheuer, ein Krokodil. Es hatte viele Haustiere und auch schon zwei Kinder verschlungen. Man konnte es aber nie töten. Da gelang es einem frommen Bauer einmal, das Ungeheuer nach dem Aveläuten zu erlegen. Das getroffene Tier fuhr in die Tiefe und wurde seither nicht mehr gesehen.

*7. Der alte Heißhiasl in Migelsbach sah in einer Sommernacht einen ungeheuren Drachen. Der Drache war so lang wie der ganze Hof, er hatte einen Kopf wie ein „Broatling“ und einen Schweif, so mächtig wie ein Wiesbaum. Der Drache war so feurig, daß der ganze Hof hell wurde.

8. Am Schöfberg zwischen Haugstein und Schnürberg arbeitete ein Bauernbursche und sah am Boden einen Blutstock. Der Bursch ging nach Schnürberg zum Seppenbauern, der Blutstock lief ihm nach; da erkannte der Bursche, daß es ein brennender Drache war. Der Bursch wollte ins Haus und konnte noch rechtzeitig die Tür zuschlagen. Der Drache lief in Gestalt einer roten Geiß in einen Keller, warf alles um und verschwand.

*9.a) Auf dem Reichenstein, dem heutigen Wurmstein, herrschte vor Zeiten ein mächtiger König. Auf seinem Schloß hatte er große Schätze und lebte mit der Königin und seinen 4 Kindern in Freuden, durch den Bergbau war er reich und mächtig geworden. Im Innern des Berges hauste aber ein ungeheurer Lindwurm. Als einst arge Regengüsse niedergingen, fraß sich der Lindwurm durch, gewaltige Wassermassen brachen aus der Öffnung und überfluteten Burg Reichenstein. Sie stürzte ein und begrub ihre Bewohner unter sich. Auch die blühende, wohlbefestigte Stadt Goisern, die im Tal lag, wurde vernichtet. Seither heißt der Berg Wurmstein und der Bach, der von ihm herab ins Dorf fließt, der Wurmbach.

*b) Dazumal gab es keine Wälder in der Gegend, denn alles Holz hatte der Bergbau verschlungen. Felder, Wiesen und Weinberge bedeckten Tal und Höhe. Erst als 34 Jahre nach dem Lindwurmschrecknis wieder eine Wasserflut losbrach, vereinsamte das Land und der Wald wuchs wieder hoch.

10. Links von den „Godshäusern“ in Altmünster steht das „Gegnhaus“. Von hier aus zieht ein Hügelrücken, der Lindsbühel, der den Grasberg und den Kolmannsberg verbindet. Hinter diesem Höhenzug hauste ein Lindwurm, der den Hügel durchbiß. Seither trennt den Rücken eine Talmulde. Der Lindwurm hat Quellen und Bäche „umgebissen“, so daß sie ihren Lauf veränderten und großen Schaden stifteten. Er legte seine Eier in Steine. Die auskriechenden Jungen fraßen große Höhlungen in diese Blöcke. Beim Bau der Villa Toskana in Traunkirchen stieß man 1876 auf einen solchen Stein. Beim Nußbaumer Steinmetz in Pinsdorf fand man Versteinerungen. Es sind nichts anderes als versteinerte Lindwürmer.

*11. Auch am Abhang des Saarsteins im Osten des Hallstättersees hauste ein gewaltiger Lindwurm, der in der Umgebung Schrecken verbreitete.

12. In der Steinbachlklausstube im Ebenseeischen nächtigte jeden Wochentag der Meisterknecht Jöring Simmerl mit seiner Paß Holzknechte. Eines Morgens zur Neumondzeit war ein Mann verschwunden. Schuhe, Kleider und Werkzeug waren da. Alles Suchen nach dem Knecht war umsonst. Am Samstag meldeten die Knechte bedrückt den Vorfall bei ihrer Heimkehr nach Ebensee. Die nächsten Wochen vergingen, ohne daß sich irgend eine Aufklärung ergeben hätte, beim nächsten Neumond fehlte aber wieder nach einer stürmischen Nacht ein Mann, anscheinend der stärkste. Kleider und Werkzeug waren wieder unberührt. Allen war es aber, als ob sie im schweren Schlaf etwas gehört hätten, das Suchen und Forschen führte jedoch wieder zu keiner Spur. Von nun an hielten immer zwei Mann Nachtwache, da sich zwei Wochen aber nichts ereignete, wollten sie schon die Wache auflassen, der Rat eines Holzknechtes drang aber durch: „Auf d’Wocha wird da Mond krånk, we woaß, wås då wieda gibt, wåchtn ma nu!“ In einer Regennacht in der neuen Mondwoche nun schreckten die beiden Wächter, die beim Herd ein „Dumperl“ hielten, durch einen kühlen Lufthauch auf. Zur Tür schob sich eine große undeutliche Gestalt lautlos heran und schlich gegen die Grat. Die beiden Männer schlugen mit ihren Äxten in der Richtung der Erscheinung. Ein Aufschrei bekundete, daß das Ungetüm getroffen sei, es entwich durch die Tür. Als es gegen Morgen heller wurde, gingen die Holzknechte mit Äxten bewaffnet vor die Hütte. Die Blutspur führte sie zu einer versteckten Höhle, dort fanden sie das menschenähnliche, behaarte Ungetüm mit einer klaffenden Wunde im Nacken tot auf. Menschenkleider und Totenschädel lagen umher. Einige Kleiderreste der unglücklichen Kameraden lagen beim Eingang zu einem tiefen Schlund. Dort warfen sie die Leiche des Ungetüms hinab. Erschüttert kehrten sie zurück. Seither hat die Gegend Ruhe.

13. Im Hundsgraben bei Tarsdorf sah eine Frau ein Ungetüm, nicht Tier und nicht Mensch. Voll Entsetzen lief sie davon. Auch ein Drache soll in diesem Graben gehaust haben.

14. Eine ungeheure Schlange zeigte sich einst in der Mühlschlucht bei Neufelden und zerriß ein armes Weiblein, man fand nur mehr Kleiderreste.

15. Ein Junge hütete in der Nähe der Ruine Ruttenstein Schafe. Er hatte keinen kleinen Schreck, als er unter einem Felsen eine riesenhafte Schlange hervorschauen sah, deren Kopf nicht kleiner war als der eines halbgewachsenen Schweines. So schnell er konnte, lief er davon und erzählte es daheim. Die Leute brachten ein Geschütz herbei und töteten die Schlange mit einem Schuß. Wo die Kugel traf, sieht man heute noch das Loch im Felsen.

16. Beim Abgeschliffenen Stein bei Königswiesen hauste einst eine riesige Schlange, die so groß war, daß sie Rehe fing und ihren Jungen zum Fressen brachte. Da wurde ein berüchtigter Wildschütze von den Jägern gefangen und war nach damaligem Recht dem Tode verfallen. Die Jäger aber stellten ihm Leben und freies Jagdrecht in Aussicht, wenn er die Schlange tötete. Sogleich war er einverstanden und wurde mit seinem Schießzeug zum Abgeschliffenen Stein gebracht. Er schlich sich zur Schlangenhöhle heran und wie er den Kopf der Schlange sah, schoß er darauf. So gut traf der Schuß, daß die Schlange nur mehr einen gewaltigen Sprung in die Luft machte und dann tot niederfiel. Dabei schlug sie so schwer auf den Waldboden auf, daß sie ein Loch aufriß, in dem bequem ein Pferd Platz hatte. Der Schrecken des Wildschützen war so groß, daß er sein Schießzeug den Jägern ließ und zeitlebens nicht mehr jagte.

*17. In den vielen Teichen, die einst das Stift Waldhausen umgaben, hauste eine furchtbare Schlange, die Menschen und Tieren gefährlich wurde. Niemand wagte den Kampf. Schließlich wurde einem zum Tode Verurteilten das Leben versprochen, wenn er die Schlange töte. Auf einem schnellen Pferd ritt er zum Teich, schoß nach der Schlange, und sprengte, so schnell das Pferd konnte, zurück. Die Schlange verfolgte ihn und kam ihm so nahe, daß sie mit dem Kopf zwischen dem Tor eingeklemmt wurde, als man dies hinter dem Reiter zuschlug, und nun getötet werden konnte. Andere sagen, die Schlange schnellte an das Tor und zersprang in zwei Stücke.

18. Ein Jäger wollte einen Rehbock schießen. Im Walde setzte er sich auf einen Stein und wartete. Er hatte keine Ahnung, daß in der Nähe eine riesengroße Schlange ihren Schlupfwinkel hatte. Sie kam gerade daher und trug ein Reh im Rachen. Der Jäger sah ihre Augen wie Lichter leuchten und konnte sie daher leicht tödlich treffen. Das Schlangennest wurde ausgerottet. Die eben aus dem Ei gekrochenen Schlangen waren größer als die größten Schlangen bei uns sind.

19. Ein Zimmermann arbeitete im Walde und wollte eben einen Baum fällen. Da erblickte er auf ihm eine furchtbare Schlange. Schnell nahm er die breite Hacke mit der Schneide nach vorne vor die Brust und wagte sich nicht zu rühren und stand so eine lange Weile. Endlich machte er aber doch eine Bewegung; da schoß auch schon eine zweite Schlange auf ihn los, spaltete sich aber an der breiten Hacke den Kopf. Darauf flüchtete die andere Schlange.

*20. Wo jetzt am Spadenberg die Marienkapelle steht, soll vor vielen Jahren die letzte Riesenschlange von einem Bauern erschlagen worden sein. Andere behaupten, daß sie ein herrschaftlicher Jäger erschoß. Man brachte sie auf einem zweiräderigen Karren nach dem drei Stunden entfernten Steyr. Sie hatte kaum auf dem Wagen Platz.