Betermacher-Hansel
Autor: Raffael Haslauer
Artikel aus "Tips Enns", 4. Wo. 2016
Diese Woche präsentieren wir die Sage vom „Betermacher-Hansel". Eine tragische Geschichte eines jungen Ennsers, die zeigt, dass man seinem Schicksal nicht entkommen kann.
Vor langer Zeit saß im finsteren Verlies der Burg zu Enns ein „schwerer" Junge. Er hieß der „Betermacher-Hansel", denn er fertigte Rosenkränze, die im Volksmund ,,Beter'" heißen, an und brachte sie dann als Hausierer in den Handel. Dieser „Betermacher-Hansel" hat es aber trotz der Beschäftigung mit so einem heiligen Ding, wie es der Rosenkranz ist, „arg getrieben". Außergewöhnlich verbrecherische Taten haben ihn reif gemacht für den Galgen. Nun saß er im feuchten, finsteren Kerker und wartete darauf, dass das Urteil vollzogen wird. Eines Morgens öffnete sich knarrend die schwere Kerkertüre und die Gerichtsschergen holten ihn ab zu seinem letzten Gange.
Sie traten mit ihm aus der Burg, stiegen, von einem neugierigen Menschenhaufen begleitet, den steilen Ennsberg hinab und verließen durch eines der vier großen Tore, das Ennstor, die mit hohen, mächtigen Mauern umgebene Stadt, gingen der Sonne entgegen, die über den Valentiner Berg gestiegen war. Als er die Morgenluft fühlte, als er den Gesang der Vögel in den grünen Zweigen hörte, als er die blaue Himmelsglocke sah und den goldenen Schein der Sonne, da erwachte in dem Übeltäter neue Lebenslust. Aber sein Leben war verwirkt, erging seinen letzten Weg. Langsamer wurde sein Gang und immer langsamer, zögernd setzte er Fuß vor Fuß und die Karawane kam nur langsam von der Stelle. Weder gütliches Zureden noch Drohworte der Gerichtsschergen brachten ihn dazu, schneller zu gehen. Stunde um Stunde verrann und die Sonne stand schon hoch am Himmel.
Noch einmal Glück gehabt
Als sie mit ihm beim Galgen ankamen und der Henker den Urteilsspruch vollziehen wollte, ertönte die Mittagsglocke, die um zwölf Uhr zum Gebet läutete. Man konnte den Verurteilten nun nicht mehr vom Leben zum Tode befördern, sondern musste ihn wieder zurückbringen in seine finstere Zelle - denn nach damaligem Recht durfte, sobald der erste Schlag der Zwölfuhrglocke erklungen war, niemand mehr gehängt werden. Für dieses Mal war der Totgeweihte seinem Henker entgangen. Als ihn die Gerichtsschergen zum zweiten Mal zum Galgen geleiteten, wiederholte sich das Spiel. Er hat sich, wie die Leute sagen, noch mehr „zaht". Wieder läutete die Mittagsglocke, ohne dass er zum Hängen gekommen wäre. Das dritte Mal setzten ihn die Schergen auf einen Karren und fuhren mit ihm zur Gerichtsstätte. Als nun die Mittagsglocke läutete, hing der „Betermacher-Hansel" am Galgen.
Der Galgen von Enns befand sich auf niederösterreichischem Gebiet, im Gemeindegebiet von Ennsdorf, Heute ist dort in der Kiesgasse ein Tabernakelpfeiler aufgestellt.
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