Sandler Sagennächte

In der Finsterzeit des Jahres, in der Zeit der Raunächte rund um den Jahreswechsel, kommt in der Gemeinde Sandl Schauriges auf den Tisch: Josef Mandl erforscht seit vielen Jahren zusammen mit seinem Onkel Rudolf Wagner alte Geschichten, Sagen und Legenden in und um Sandl. In den Raunächten führt die Theatergruppe Sandl diese Sagen öffentlich auf.

 

Bei Kerzenlicht werden in der Wirtsstube die mystischen Sandler Sagen von Josef Mandl erzählt. Foto: Galatz
Bei Kerzenlicht werden in der Wirtsstube die mystischen Sandler Sagen von Josef Mandl erzählt. Foto: Galatz

Man kennt ihn als Mandl aus Sandl und er wird auch „Luki“ genannt. Josef Mandl. der Geschichten- und Sagensammler sowie Erzähler.
Im Jahr 2003 stolperte er über so manche alte Begebenheit im Ort und seit damals lassen ihn diese Erzählungen nicht mehr los.

Es ist auch seinem Onkel Rudolf Wagner zu verdanken, dass der Mandl aus Sandl zum Erzähler geworden ist- Rudolf Wagner, ehemals Briefträger, der wahrlich Land und Leute kennt, ist seit seiner Pensionierung leidenschaftlicher Heimat- und Ahnenforscher. Im hohen Alter brachte er sich Computerkenntnisse bei und bei und veröffentlichte schon zwei Bücher über alte Begebenheiten in Sandl sowie ein mehr als 300 Seiten dickes Klein- und Flurdenkmälerbuch mit den gesamten Geschichten zu den Gedenkstätten, Kapellen und Marterln in und um Sandl.

Gemeinsam machen sich Onkel und Neffe immer wieder auf die Suche nach bislang unveröffentlichten Geschichten im Ort und wandern dabei auch von Haus zu Haus: „Es gibt einige bekannte Geschichten, die jeder kennt. Spannend ist es aber immer wieder, noch unbekannte Geschichten zu erfahren und mit vielen Menschen dabei ins Gespräch zu kommen! Vor allem die alten Sandler sind da eine wahre Fundgrube! Hier ist noch viel Wissen da, dass wir zusammen aufschreiben und aufarbeiten wollen!", erzählt Rudolf Wagner mit leuchtenden Augen und voller Tatendrang.

Mandl aus Sandl – Josef Mandl. Geschichten- und Sagensammler sowie Erzähler.
Mandl aus Sandl – Josef Mandl. Geschichten- und Sagensammler sowie Erzähler. Foto: Joser Mandl

„Ich habe viel nachgedacht, wie man diese alten Geschichten wieder lebendig werden lassen kann lebendig werden lassen kann und vor allem wollte ich diese Begebenheiten wieder unter die Leute bringen! Früher saßen doch die Großfamilien im Winter in der Stube um den eisernen Ofen herum und der Großvater wusste immer Geheimnisvolles und Mystisches zu erzählen. So wurden die alten Geschichten mündlich überliefert. Plötzlich kam mir die Idee, aus den Geschichten, die ich mit meinem Onkel erforsche, kurze Theaterstücke zu schreiben, um diese dann in den Raunächten mit der Theatergruppe im Ort aufzuführen," erzählt Josef Mandl.

Die Sandler Sagennächte waren geboren! Seit dem Jahr 2003 wandert die Theatergruppe an zwei Tagen in der finstersten Zeit des Jahres nach einem genauen Zeitplan von Gasthaus zu Gasthaus. In der Wirtsstube wird das Licht abgedreht, die Gäste sitzen bei flackerndem Kerzenlicht um die Tische und lauschen dem Erzähler Josef Mandl der mit seinem Erscheinen in alter Kleidung, Buckelkorb, Laterne und dem großen Sagenbuch Mystisches erahnen lässt. Der Mandl aus Sandl setzt sich irgendwo zwischen das Publikum und beginnt zu erzählen, während seine KollegInnen aus der Theatergruppe kurze Szenen darbieten. Als geheimnisvoll und mystisch lässt sich die Atmosphäre beschreiben. 
„Es gibt klassische Sagen, die auch in den Büchern meines Onkels sowie am Sandler Sagenwanderweg zu lesen sind, doch es gibt noch mehr dieser mystischen Geschichten: etwa Geschichten von Steinen, von Waldgebieten in der Gemeinde, von Häusern und Marterln, von Begebenheiten, die sich in manchen Ortschaften abgespielt haben sollen oder Geschichten von gewissen Leuten. Und das Faszinierende für mich daran ist, dass all dem eine interessante und sehr wahre Geschichte zu Grunde liegt...“ weiß der Mandl aus Sandl.

In Sandl, am Fuße des Viehbergs etwa, liegt ein sagenumwobener Stein. Er hat Warzen, besteht aus grobkörnigem Granit und wird daher „der Knobarade" genannt. „Der Knobarade" ist eine sehr bekannte Sage aus Sandl, die auch tief in den Köpfen der Bevölkerung verankert ist. In der Mettennacht soll einmal auf diesem Stein mit seiner markanten Oberfläche der Teufel Geld, Gold und Edelsteine gezählt haben. Geschichten berichten von mutigen Sandlern, die sich in der Mettennacht dem Stein genähert haben sollen, um den Schatz zu heben - doch vergebens. Er soll von wilden Geißböcken bewacht werden oder glühende Kohlen sollen das Bergen des Schatzes verhindern. Dieser Legende zufolge getraut sich auch heute kein Sandler Bürger mehr in der Mettennacht an diesen Ort...

„Diese Geschichte erzähle ich gerne im Rahmen von Schulprojekten oder Sagenwanderungen. Sie kommt eigentlich immer gut an – bei Groß und Klein“, erzählt Josef Mandl. „Doch auch Geschichten von Wilderern, Schmugglern oder dem Räuberhauptmann Kopetzky lauschen die Besucher gerne!“

„Mir gefallen die Geschichten rund um das Haun-Reith-Marterl" sehr gut!", wirft Rudolf Wagner ein. „Dieses Marterl steht beim Feuerwehr-Erlebnisweg am Waldrand und es wird von einer großen Fichte bedrängt. Deswegen ist es schon etwas schief. Man erzählt sich, dass einmal im Winter ein Bauer seinen Knecht mit einem Fuhrwerk über den Viehberg nach Sandl geschickt haben soll, um Waren zu verkaufen. Der Knecht kehrte nie wieder nach Hause zurück. Nur die Ochsen standen am nächsten Morgen am Hof des Bauern. Man unterstellte dem Knecht, er hätte das verdiente Geld genommen und sei abgehauen - doch im nächsten Frühling nach der Schneeschmelze fand man den Leichnam des Knechtes. Die Bauersleute errichteten an jener Stelle das Marterl mit einer Dreifaltigkeitsdarstellung.“

Sandl ist sagenumwobenes Gebiet mitten im Freiwald, einem Teil der Böhmischen Masse, an der Grenze zu Tschechien und Niederösterreich. Durch etliche Glashütten im 17. Jahrhundert wurde Sandl auch nach und nach zum Zentrum der Hinterglasmalerei. Diese Handwerkskunst wurde im Jahr 2012 in die Liste der Immateriellen Kulturgüter der UNESCO aufgenommen.
Der Hinterglasmalerei wurde zusammen mit dem Thema „Sagen in Sand!" ein Museum eingerichtet. Einblicke in Sandls Sagenwelt gibt es zudem auf einem vier Kilometer langen Rundwanderweg zu lesen.
Die Sandler Sagennächte finden in den heurigen Raunächten am 27. Dezember 2015 und am 3. Jänner 2016 zwischen 16.30 Uhr und 19.30 Uhr in den Gasthäusern in Sandl statt.


Autorin:
Sandra Galatz
Artikel aus dem
kulturbericht oö., 12.2015